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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Buchbesprechungen

Fengler, Prof. Dr. Jörg: Helfen macht müde: Zur Analyse und Bewältigung von Burnout und beruflicher Deformation. München: J. Pfeiffer, 1994, 266 Seiten, DM 34­

Jörg Fengler, Professor an der Heilpädago­gischen Fakultät der Universität zu Köln mit dem Forschungsschwerpunkt Psychologie und Psychiatrie, kann mit gutem Recht bei seiner rund zwanzigjährigen Berufserfahrung als Helfer und bei einer beachtlichen Zahl von empirischen Befunden, Forschungsergeb­nissen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und Veröffentlichungen als Experte für Helfer­belastung bzw. Helferentlastung gerühmt werden.

Denn, anders als die in den letzten fünf­undzwanzig Jahren rapide angestiegenen Ver­öffentlichungen zur Belastungstheorie von Menschen in sozialen Diensten, scheint Feng­ler in der Tat dazu berufen, das Helfen an sich zugunsten der genauen Betrachtung des Einzelfalls als eigenartige Tätigkeit zu pro­blematisieren.

Auf der Grundlage einer reichen, aus dem praktischen Lebensalltag gewonnenen Fall­sammlung aus Gebieten psychosozialer Insti­tutionen(Therapie-Praxis, Krankenhaus, Hochschule, Schule und Sonderschule, So­zialamt, Kirche, Polizeirevier, Heim, Gefäng­nis) weist er eine tendenziell einheitliche Richtung: Helferinnen und Helfer sind in besonderer Weise(chronisch) belastet und gleichzeitig fällt eine Problematik gerade des Helfers(Deformation) wegen der prägnan­ten Angewiesenheit des Klienten doppelt ins Gewicht(z.B. Machtmißbrauch).

Klienten hinterlassen Spuren an ihren Hel­fern: einerseits Befriedigung, Sinnerfüllung und Lebensbejahung, andererseits Erschöp­fung und Beschädigung, die sich z.T. tief ins Privatleben auswirken.

Mit hohem Maß an psychotherapeutischem Können, lebendiger Menschenkenntnis und seiner klar verständlichen Sprache, pointiert durch Humor, Aphorismen, amüsante Bei­spiele in Cartoon-Form, metaphorische Bil­der, Anekdoten und ab und zu einem treff­lichen Scherz aus den eigenen Reihen der Psychologen, schreibt Fengler einen eingän­gigen Stil. Dabei geht es um die vielfältigen sozialen Beziehungen zwischen Helfern und Klienten, sowie die sozialen Prozesse zwei­

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ter Ordnung, die sich aus dem sozialen Kon­text ergeben, und er konkretisiert auf diese Weise die objektiv konstatierbaren und sub­jektiv empfundenen Belastungen der Helfer. Den Kreis der Helferberufe zieht der Autor weit, und es ist einleuchtend, daß nicht nur Professionelle wie Sozialarbeiter, Sozialpäd­agogen, Bewährungshelfer und Therapeuten unterschiedlichster Provenienz(Ärzte, Psych­iater, Psychotherapeuten, Psychologen) und medizinisches Pflegepersonal wie Kranken­schwestern, Pfleger, Physiotherapeuten in den Blick kommen, sondern auch Lehrer, insbesondere an Sonderschulen, Erzieher, Po­lizisten, Pfarrer, Juristen. Dazu gehören auch Familien, die ein behindertes Familienmit­glied betreuen, ferner informelle Helfer wie Gastwirte, Friseure, Taxifahrer und andere Menschen, mit denen man über seine Sor­gen spricht.

In den ersten Kapiteln werden die Beziehun­gen zwischen dem Helfer und seinem Klien­ten, seiner Familie und seiner Institution ge­klärt, sowie die Fragen von Belastungen des Helfers untersucht. Dabei fügt der Autor im dritten Hauptabschnitt dem zeitweise infla­tionär verwendeten Begriffbumout als dem Syndrom einer Überlastungsfolge bei pro­fessionellen Helfern, den Begriff der beruf­lichen Deformation hinzu.

Diesem Paradigma werden die zahlreichen Untersuchungen auf den verschiedenen Ge­bieten von Helferberufen in Bezug auf Schä­digungen und Verformungen zugeordnet, die sich im Laufe dieser Berufstätigkeit und durch sie bedingt, in der Persönlichkeit der Helfer, in der Interaktion, im Team und in der Institution entwickeln.

Wie, proverbial gesagt, für das burnout von Helferinnen und Helfern gilt:Steter Trop­fen höhlt den Stein oderViele Hunde sind des Hasen Tod, so können bei gleichzeiti­gem und andauerndem Bestehen mehrerer Belastungen und anderer erschwerender Le­bensbedingungen berufliche Deformationen auftreten. Das kann z.B. in der Biographie, aber auch in fehlenden sozialen und institu­tionellen Kompetenzen begründet sein.

Die detaillierten Einblicke, die dabei in kon­krete therapeutische Arbeit gegeben werden, stellen den Leser in lebendigen Kontakt zu den Betroffenen, die über sich selbst Mittei­lungen geben. Das ist besonders bereichernd auch für Lehrer und Erzieher, denen in der

erweiterten dritten Auflage ein ausführlicher Abschnitt über die Belastungen in Schule und Unterricht, Erwachsenenpädagogik und Sonderpädagogik zugefügt ist.

Die ausgewählten Aspekte in den Kapiteln zu Problemen in der Kommunikation und im Führungsverhalten, die der Autor aus der täglichen Begegnung mit Kolleginnen und Kollegen in Helferberufen, sowie an sich selbst gewann, veranlassen ihn zu dem wich­tigen vierten HauptabschnittBewältigung. In diesem sehe ich die praktische Umsetz­barkeit der aufgezeigten Formen und Mög­lichkeiten zur Bewältigung von Belastung und Deformation als hochwertigen Gewinn, denn: Helferbelastung ist beeinflußbar. Und hier setzt sich der Autor nicht nur auf­grund des unbedingt persönlichen Nutzens für eine angemessene Handlungsbefähigung ein. Diese findet durch Bewältigung bzw. Vorbeugung auf verschiedenen Ebenen statt (Psychohygiene, Coping, soziale Unterstüt­zung, Supervision, gruppale, institutionale Einflüsse). Darüber hinaus verdeutlicht er die unbedingte Verpflichtung zur Selbsterfah­rung, zur Identifizierung des Subjektiven, um dann aufgrund des Verstehens der eige­nen- und der überpersönlichen Motive und Belastungsanteilen die Behebung und Ver­meidung von Selbstgefährdung, Selbstbela­stung und Deformation in der psychosozialen Arbeit zu vollziehen.

Denn im Laufe seines Helferlebens unter­liegt der Helfer Veränderungen.

So bewirken, abgesehen von den mannig­fachenStörungen im Außenbereich, den exogenen Faktoren im Arbeitsfeld eines Hel­fers, die zugrunde liegendenAlltagsstörun­gen im Innenbereichkleine seelische Ver­schmutzungen. Dies, obwohl sie vielfach als geläufig erscheinen und daher unbeach­tet bleiben. Daher soll auch ihnen diagno­stische Aufmerksamkeit und praktizierte Psychohygiene zur fortlaufendenseelischen Entrümpelung gewidmet werden. Andern­falls können solche Störungen zur Beein­flussung der Arbeitsfreude, Arbeitskompe­tenz und von sogenannter Lebensfreude im Privatbereich und Bekanntenkreis führen. Damit ziehen vor allem die folgenden drei KapitelSoziale Unterstützung,Supervi­sion undIntervention auf Team- und Institutionsebene den weiteren Lebenskon­text des Helfers mit in Betracht. Soziale Un­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 3, 1995