Buchbesprechungen
Instrumentalunterricht gibt es kaum Zeit für Improvisation und Klangphantasien.
Hier einen Gegenpol zu schaffen, kann Aufgabe jedes interessierten Erziehers, Sozialpädagogen oder Heilpädagogen sein, auch oder gerade wenn er keine musikalische Vorbildung hat. Hartogh macht Mut, sich von einer verkrampften, perfektionistischen Vorstellung im Umgang mit Klang und Rhythmus zu lösen.
Das zeigen vor allem die Teile zwei und drei des Buches. Auf anschauliche Weise werden konkrete Bauanweisungen für einfache Instrumente aus Umweltmaterialien vorgestellt. Alle Instrumente sind ohne großen Aufwand herstellbar. Ein selbstgebautes Instrument bietet eben ganz andere sinnliche Erfahrungen—- man muß sich auf das Material einlassen, sich darauf einstellen. Schon die Bauphase kann in der Gruppe zu einem positiven Erlebnis gemeinsamen Tuns werden. Über 30 Spielvorschläge, übersichtlich in Partner- und Gruppenspiele differenziert, runden die Vorstellung im dritten Abschnitt ab. Wichtig ist auch hier die Feststellung, daß es an keiner Stelle um musikalische Vollkommenheit geht, sondern um den entwicklungspsychologisch bedeutenden, phantasievollen Umgang mit Klängen.
In diesem Sinne stellt das Buch eine gelungene Synthese aus Theorie und Praxis dar.
Horst Hoffmann, Hasbergen
Die von zwei Lehrlogopädinnen, Luise Springer und Dietlinde Schrey-Dern, im ThiemeVerlag herausgegebene Reihe„Forum Logopädie“ will„aktuelle Forschungsergebnisse aus der Praxis für die Praxis‘ vermitteln.
In dieser beachtenswerten und nicht nur von
Logopädinnen und Logopäden, sondern von
allen im Bereich der Sprachdiagnostik und
Sprachtherapie Beschäftigten zu beachten
den Reihe sind zum Themenbereich Sprach
entwicklungsstörungen zwei weitere Bändchen erschienen:
(1) die zweite überarbeitete und erweiterte Auflage des Bandes„Sprachstörungen im Kindesalter“ von Wolfgang Wendlandt, der 1992 die Reihe„Forum Logopädie‘“ eröffnete,
(2) der Band„Logopädische Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen‘“ von Christiane Dickmann, Ina Flossmann, Regina Klasen, Dietlinde Schrey-Dern, Ulrike Stiller und Cordula Tockuss.
(1) Wolfgang Wendlandt: Sprachstörungen im Kindesalter. Stuttgart: Thieme, 1995(122 Seiten).
Die im Untertitel versprochenen„Materiali
en zur Früherkennung und Beratung“ rich
ten sich an alle, die in Prävention und Beratung bei Sprachentwicklungsauffälligkeiten tätig sind. Neben der Einführung in das Problem Prävention, den Inhalt und die Zielsetzung des Materialienbandes und seine Entstehung wird in Teil 1(S Seiten) der potentielle Leserkreis definiert: Er reicht von interessierten über betroffene Eltern bis hin zu
Multiplikatoren und Experten auf dem Ge
biet des Sprechens und der Sprache. Neben
Aufklärung sollen den Eltern Informationen
und Entscheidungshilfen, Multiplikatoren
und Experten Basisinformationen und Arbeitshilfen gegeben werden.
Im Hauptteil(Teil 2, 90 Seiten) werden 23
Materialieneinheiten(M1-M23) dargestellt.
Die Inhalte reichen von Überblicken über
den normalen Spracherwerb(„Wie Kinder
sprechen lernen“,„Zum Ablauf der Sprachentwicklung“,„Hören und Sprechen“) und über Sprach- und Sprechstörungen sowie deren Ursachen und Förderungen(„Störungen des Sprechens und der Sprache: Überblick und Vertiefung“,„Ursachen von Störungen des Sprechens und der Sprache‘,„Sprachförderung, Förderung der Kommunikation“) bis hin zu Informationen über die institutionellen Möglichkeiten und ihre Finanzierung
(„Fachleute, Institutionen und Finanzie
rung“). Sie werden in leicht verständlicher
Form und für alle Zielgruppen in: angemes
sener Sprache präsentiert. Besonders erwäh
nenswert sind zwei Materialieneinheiten, die sich mit den Sprachauffälligkeiten zweisprachig aufwachsender Kinder beschäftigen. Gemeint sind hier die Sprach-, Sprech- und
Kommunikationsprobleme der Migranten
kinder, die in Prävention, Diagnostik und
Intervention bislang nur unzureichend Be
rücksichtigung gefunden haben. Der Band
besticht durch seinen didaktischen Aufbau.
Zu Beginn jeder Materialieneinheit werden
Inhalt, Ziel und Einsatzmöglichkeiten ange
geben. Zur Übersichtlichkeit tragen auch die
verschiedenen Abbildungen und Tabellen bei.
Ein besonders beeindruckendes Beispiel stellt
der in M1 dargestellte„Sprachbaum“ dar.
Diese Metapher verdeutlicht sehr schön das
Zusammenwirken der verschiedenen Berei
che, die an der Sprachentwicklung beteiligt
sind.
Teil 3(14 Seiten) enthält 12 Übungen zur
Gruppenarbeit, und im abschließenden Teil 4
(4 Seiten) werden kurz die bisherigen„Er
fahrungen mit einer präventiven Neuorien
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 3, 1995
tierung‘“ berichtet. Ergänzt werden die vier Teile durch fünf Literaturlisten(S Seiten), die ebenfalls als Materialieneinheiten(M24M28) gekennzeichnet werden, und ein zweiseitiges Sachverzeichnis.
Das Resümee ist eindeutig positiv: Die Materialien sind übersichtlich und ansprechend gestaltet, die Inhalte werden anschaulich und lebendig übermittelt. Man darf dieser ausgezeichneten Einführung in den normalen und gestörten Spracherwerb wünschen, daß sie eine weite Verbreitung findet.
(2) Christiane Dickmann, Ina Flossmann, Regina Klasen, Dietlinde Schrey-Dern, Ulrike Stiller& Cordula Tockuss: Logopädische Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen. Stuttgart: Thieme, 1994(99 Seiten).
Der Untertitel dieses von Lehrlogopädinnen der Schule für Logopädie in Aachen geschriebenen Bändchens ist etwas unglücklich gewählt:„Sprachsystematisch konzipierte Prüfverfahren‘. Gemeint ist hier vermutlich, daß Prüfverfahren vorgestellt werden, die sich auf die unterschiedlichen Bereiche des Sprachsystems beziehen. Es werden nämlich für folgende drei Bereiche die gebräuchlichsten Verfahren und jeweils ein selbstentwickeltes Screening vorgestellt: den phonetisch-phonologischen, den semantisch-lexikalischen und den morphologisch-syntaktischen Bereich.
Zuvor wird in einem ersten Teil ein Über
blick über den gesamten Prozeß der„logo
pädischen‘“ Diagnostik bei kindlichen Sprachund Sprechstörungen gegeben. Anzumerken ist, daß die dargestellte Diagnostik nicht auf die Logopädie zu beschränken ist, sondern daß diese Sprachentwicklungsdiagnostik in der Sonderpädagogik oder Psychologie in gleicher Weise betrieben wird. Zurecht wird festgestellt, daß„die Diagnostik von kindlichen Sprachauffälligkeiten somit hohe Anforderungen an die Kompetenz der Untersucher/-innen[stellt]“. Fraglich bleibt aber, ob das„breit gefächerte Wissen in unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen‘“, das hier gefordert wird, in einer Person vereinigt sein kann. In der Logopädie-Ausbildung werden zwar einerseits Ausschnitte aus den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen angeboten, andererseits ermöglicht die Ausbildung bislang wohl kaum, diejenigen fundierteren Kenntnisse zu erwerben, beispielsweise Kenntnisse in psychologischer Testtheorie und in Methodenlehre, die erforderlich sind, um die Grenzen und Möglichkeiten diagnostischer Methoden und Verfahren beurteilen und bewerten zu können. Die Dia
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