Karl Josef Klauer+
Weitere Erprobung des„Denktrainings für Jugendliche“ in der Oberstufe der Schule für Lembehinderte
wie man den entsprechenden Tabellen unten entnehmen kann. Da die Jungen und Mädchen untereinander über die Tests sprachen, hatte es keinen Sinn, von den Abwesenden später Daten zu erheben. Die Ausfälle sind auch nicht ungewöhnlich hoch, so daß von daher kein Anlaß zur Besorgnis bestand.
Die Zuordnung der Probanden zu den Trainingsbedingungen wurde nach folgendem Zufallsverfahren vorgenommen. Innerhalb jeder Schule wurden die Jugendlichen auf Grund ihrer SPM-Vortestwerte in eine Rangordnung gebracht. Danach wurde paarweise per Zufall entschieden, welcher Paarling welcher Bedingung zuzuweisen war. Ein solches Verfahren der stratifiziert-zufälligen Zuweisung garantiert einerseits die Zufälligkeit der Zuordnung, verhindert andererseits aber das Entstehen zu großer Gruppenunterschiede, was bei Randomisierung kleiner Gruppen leicht der Fall sein kann, wenn nicht entsprechend Vorsorge getroffen wird.
Im Durchschnitt waren die Jugendlichen 16 Jahre und 4 Monate alt. Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, war die Kontrollgruppe im Durchschnitt um vier Monate jünger, und sie zeigte sowohl im ITID als auch beim SPM-Prätest die etwas günstigeren Werte. Die Unterschiede sind, wie zu erwarten, nicht annähernd signifikant, auch wenn sie die Kontrollgruppe leicht im Vorteil zeigen.
Trainer- und Testpersonen
Die Prätests wurden von einer der Trainerinnen erhoben, während sämtliche Posttests im unwissentlichen Verfahren von Studierenden der Psychologie erhoben wurden, die nicht wußten, welche der Jugendlichen welches Training erhalten hatten. Rosenthal-Effekte auf die Testergebnisse können also ausgeschlossen werden.
Das Training wurde von Studierenden der Psychologie durchgeführt. Sie standen ausnahmslos kurz vor dem Abschlußexamen und waren in die Durchführung des Trainings eingewiesen worden. Jede Trainerin und jeder Trainer sollte jedes Training bei gleich vielen
Jugendlichen geben, um eine Konfundierung von Training und Trainerperson zu verhindern. Leider wurde eine der Trainerinnen für längere Zeit nach Beginn des Trainings krank, und da keine weitere instruierte Trainerperson zur Verfügung stand, mußte umorganisiert werden. Eine der Trainerinnen übernahm zusätzlich den Part der ausgefallenen Trainerin und gab dafür Kinder des Kontrolltrainings an andere Trainerpersonen ab. Dadurch wurde der Plan einer Überprüfung des Faktors„Trainerperson“ nicht mehr realisierbar.
Testverfahren
Die Standard Progressive Matrices (SPM) von Raven(Raven, Court& Raven 1988) sind ein bekanntes und gut eingeführtes Verfahren. In Verbindung mit einem Wortschatztest erfaßt es seinem Autor zufolge den Faktor g der allgemeinen Intelligenz. Für sich genommen gilt es als ein guter Indikator der fluiden Intelligenz, während Wortschatztests typischerweise die kristallisierte Intelligenz messen. Für den vorliegenden Zusammenhang ist wichtig, daß der Test Aufgaben stellt, bei denen Regelhaftigkeiten zu erkennen sind. Die Aufgaben des Tests erfordern also induktives Denken, und zwar bei abstrakt-geometrischem, figuralem Material. Insofern eignet sich der Test, um das induktive Denken bei solchem Material zu erfassen. Seine Kennwerte, insbesondere seine Reliabilität und Validität, sind gut. Mit schulischem Lernen korreliert er allerdings nur mittelhoch.
Bei dem Informellen Test Induktives Denken(ITID) handelt es sich um eine Eigenkonstruktion, die noch verbesserungsfähig sein dürfte. Der Test besteht aus 18 Aufgaben, die wie Aufgaben des „Denktrainings für Jugendliche‘ konstruiert sind. Es handelt sich um konkrete, situativ eingebettete induktiv zu lösende Problemstellungen verbaler, figuraler oder numerischer Art, wie man sie eben auch in dem Trainingsprogramm findet. Allerdings ist keine der Aufgaben im Trainingsprogramm wirklich enthalten, vielmehr handelt es sich um neue
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 4, 1995
Probleme. Insofern fordert deren Lösung ebenfalls einen Transfer vom Training des induktiven Denkens, wenngleich weniger weiten Transfer. Der ITID erwies sich für die Probanden als sehr schwer, und bei der Aufgabenanalyse traten sogar negative Trennschärfen auf. Nach deren Elimination und nach Elimination deutlich zu schwerer Aufgaben bestand der Test nur noch aus neun Items. Der Vortest erreichte eine Reliabilität von&= 0,59, der Nachtest einen Wert von&= 0,69. Angesichts der geringen Testlänge wird man diese Werte im Gruppenversuch noch akzeptieren können.
Trainingsverfahren
Das eigentlich interessierende Training war das„Denktraining für Jugendliche“ (Klauer 1993a), das speziell für lernbehinderte Jungen und Mädchen der Abschlußklassen und der Berufsschulen entwickelt worden ist. Das Programm entspricht dem des Denktrainings für Kinder II(Klauer 1991), nur daß es eben auf die besonderen Bedürfnisse lernbehinderter junger Menschen zugeschnitten ist. An 120 Problemen aus dem Interessenbereich der Jugendlichen sollen die Strategien des induktiven Denkens vermittelt werden, wie sie sich in der entsprechenden Theorie des Verfassers darstellen. Dabei geht es insbesondere darum, die Strategien transferierbar zu lehren, das heißt sie so zu lehren, daß die Probanden systematisch zum Transfer hingeführt werden.
Im Kontrast dazu wurde ein Aufmerksamkeitstraining im Anschluß an Vester, Beyer& Hirschfeld(1979) durchgeführt. Das Training der Autoren ist in keiner Weise theoriegeleitet, und experimentell erprobt ist es offenbar auch nicht. Die Autoren berichten lediglich, daß„alle Denkspiele... im Unterricht erprobt“ seien(S. 3). Für den Einsatz als Kontrolltraining erwächst aus diesem Zusammenhang keinerlei Nachteil. Tatsächlich soll das Kontrolltraining ja nur vergleichbare situative und motivationale Anreize bieten, wie sie sich eben aus der Teilnahme an einem Kleingruppentrai
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