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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Karl Josef Klauer- Weitere Erprobung desDenktrainings für Jugendliche in der Oberstufe der Schule für Lernbehinderte

der SPM-Prätestergebnisse wurden alle Probanden einer Klasse in eine Rang­ordnung gebracht, und es wurde dann paarweise per Los entschieden, wer von den beiden welches Training erhält.

Trainingsverfahren

Für beide Trainingsprogramme standen zehn Unterrichtsstunden zur Verfügung. In der einen Schule wurden die an zehn aufeinander folgenden Tagen gegeben, während sich das Training an der ande­ren Schule mit 34 Sitzungen pro Wo­che über drei Wochen hinzog. Dieser Unterschied dürfte hier keine wesentli­che Rolle spielen, da er beide Trainings­varianten gleichermaßen betraf.

Alle Jungen und Mädchen einer Klasse wurden zur gleichen Zeit trainiert, das heißt die ganze Klasse wurde jeweils in Gruppen trainiert. Die Trainingsgruppen bestanden aus 3-7 Jungen und Mädchen. Jede Gruppe erhielt einen gesonderten Raum.

Eines der Programme war wiederum das Denktraining für Jugendliche. Es wur­de in der üblichen Weise mit der Metho­de des gelenkten Entdeckenlassens ver­mittelt.

Als Kontrolltraining wurde das Gehirn­jogging von Fischer& Lehrl(1992) her­angezogen. Genauer gesagt, wurde die Sammlung von Fischer& Lehrl genutzt, um ein entsprechendes Training zusam­menzustellen. Der größte Teil der Aufga­ben bestand aus Übungen zum Training von Gedächtnisleistungen, aber zu An­fang und am Ende jeder Stunde wurden auch solche Übungen eingesetzt, die nach Meinung der Autoren das Tempo der Informationsverarbeitung erhöhen sollen.

Wenn die Theorie der Autoren stimmt, dann sollen diese Aufgaben die allge­meine Intelligenz g und damit indirekt auch das induktive Denken fördern(vgl. Eysenck 1986). Es handelt sich etwa um Aufgaben, bei denen Buchstabenpaare oder Buchstabentripel oder ähnliche Symbole vorgegeben sind. Aufgabe der Probanden ist dabei, all jene Paare oder Tripel durchzustreichen, die dasselbe Zeichen verwenden, also beispielsweise

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wären AA oder XXX durchzustreichen, aber AB oder$$$ nicht. Ein anderer Typ besteht beispielsweise aus schein­bar willkürlich in Zeilen und Spalten angeordneten Buchstaben, wobei einige Buchstabenfolgen in den Zeilen, Spal­ten oder Diagonalen sinnvolle Wörter ergeben, die es zu suchen gilt. Mit der Übung solcher Aufgaben soll also das Tempo der Informationsverarbeitung er­höht werden.

Die größte Gruppe von Aufgaben bezog sich auf das Training von Gedächtnis­leistungen. Hier wurden Wörter oder Bil­der oder Zahlen usw. meist in sinnvol­len Kontexten vorgegeben, und es war Aufgabe der Jugendlichen, sich die Items einzuprägen. Nach einem gewissen Zeit­intervall gab es dann Gelegenheit, die gemerkten Items entweder wiederzuer­kennen oder frei zu reproduzieren.

Der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben stieg über die zehn Stunden regelmäßig an.

Verhaltensbeobachtungen während des Trainings

Unabhängig vom Trainingsinhalt fiel den Trainerinnen und Trainern das schwach ausgeprägte Selbstbewußtsein der Jugendlichen auf. Viele glaubten, hier ginge es um einenIdiotentest, und das Training würde nur deshalb durchgeführt, weil sie dumm seien. Es war äußerst schwierig, die Jungen und Mädchen zur Mitarbeit zu motivieren. Hinzu kam, daß manche ein starkes Be­dürfnis nach besonderer Beachtung an den Tag legten, was zu Eifersüchteleien und vielen Störungen führte. Darüber hinaus fielen starke Konzentrations­mängel auf. Manche der Jugendlichen konnten sich schon nach wenigen Übun­gen nicht mehr recht auf die Mitarbeit konzentrieren. Nicht minder auffällig war, daß scheinbar gut Gelerntes wie etwa die Unterscheidung von Merkmalen und Beziehungen beim Denktraining mitunter plötzlich total vergessen schien. Tatsächlich verzichteten die Trainerper­sonen deshalb darauf, die sechs Auf­gabenklassen des induktiven Denkens unterscheidend zu lehren, was an sich vorgesehen ist.

Was speziell das Denktraining betrifft, so wurden erneut Wissensmängel festge­stellt, die sich störend bemerkbar mach­ten. Manche der Kinder wußten nicht, was eine Gemse oder eine Amsel ist, und der Unterschied zwischen geraden und ungeraden Zahlen mußte auch hier erst mühsam erläutert werden. Numeri­sche Aufgaben wurden oft mit wenig Begeisterung oder gar nicht angegan­gen, in den meisten Fällen weil offen­sichtlich grundlegendes rechnerisches Wissen fehlte.

Testverfahren

Zur Erfassung des induktiven Denkens wurden hier dieselben Tests eingesetzt wie in Experiment 1, also der Informelle Test Induktives Denken(ITID) zur Er­fassung nahen Transfers und die Stan­dard Progressive Matrices(SPM) zur Er­fassung weiteren Transfers. Die Prätests wurden von einer der Trainingsleite­rinnen zusammen mit einer Psycholo­giestudentin erhoben, wohingegen die Posttests von einem Diplompädagogen durchgeführt wurden, der nicht wußte, welche Probanden welches Training er­fahren hatten.

Zuordnung von Trainerpersonen zu Probanden und Trainingsart

Wie aus Tabelle 3 hervorgeht, gelang es in diesem Versuch, die Trainerpersonen so einzuteilen, daß jede Trainingskraft gleich viele Jugendliche nach jeder Trai­ningsvariante betreute. Die beiden Ju­gendlichen, deren Datensatz nicht voll­ständig war und deshalb herausgenom­men werden mußten, waren Trainer 1 und dem Denktraining zugeordnet. De­ren Ausfall verschiebt daher die Rela­tionen etwas, aber sicher nicht so, daß

Tabelle 3: Aufteilung der Jugendlichen nach

Trainerperson und Art des Trainer Denktraining KGedächtnistraining } 7(5) 7 2 8 8 3 3 3 Summe 18(16) 18

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 4, 1995