Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
167
Einzelbild herunterladen

Karl Josef Klauer+

Weitere Erprobung desDenktrainings für Jugendliche in der Oberstufe der Schule für Lembehinderte

allen diesen Fällen sind Regelhaftigkei­ten zu erkennen, die sich entweder in gemeinsamen Merkmalen von Elemen­ten oder in gemeinsamen Relationen zwischen Elementen manifestieren. In­sofern stellt das Entdecken von Gemein­samkeiten wie das Entdecken von Un­terschieden(Letzteres, um nicht auf scheinbare Gemeinsamkeitenhereinzu­fallen) bei Merkmalen oder Relationen einen zentralen Prozeß dar, wenn es um die Entdeckung von Regelhaftigkeiten geht. Genau das wird aber von der präskriptiven Theorie des induktiven Denkens ausgesagt, die der Verfasser vorgelegt hat(z.B. in Klauer 1989). Ge­nau dieser zentrale Prozeß wird unter anderem im Trainingsmaterial an den unterschiedlichsten Aufgaben eingeübt. Insofern besteht also ein klarer Zusam­menhang zwischen einer Theorie des in­duktiven Denkens, den Trainingspro­grammen und den genannten Testver­fahren. Tatsächlich wird auch allgemein anerkannt, daß die Tests geeignete ab­hängige Variablen in Trainingsversu­chen des induktiven Denkens darstel­len. Die meisten von ihnen haben aller­dings den Nachteil, daß sie geometrisch­figurales, abstraktes Material anbieten, ganz im Gegensatz zu den Trainings­programmen, die weit überwiegend aus sinnvollen, konkret situativ eingebetteten Aufgaben bestehen. Erstmals bei Lern­behinderten wurde deshalb hier ein nicht­standardisiertes und daher informelles Verfahren eingesetzt, das den Vorteil hat, Aufgaben zu bieten, die ebenfalls sinnvoll und in Situationen eingebettet sind, die die Jugendlichen aus ihrem Alltag kennen. Da die Transferdistanz zwischen Training und informellem Test deutlich kleiner ist als die zwischen Trai­ning und abstrakten Tests, sollte der Transfer des Trainings auf den infor­mellen Test größer ausfallen als auf ei­nen abstrakten Test etwa vom Raven­Typ.

Leider stellt sich der informelle Test ITID noch als verbesserungsbedürftig heraus. Er ist insgesamt zu schwer für die Probanden, und manche seiner Auf­gaben stellen sich psychometrisch als ungeeignet dar. Dennoch wurde in bei­den Fällen die Erwartung bestätigt, daß

Lehrzielorientierter Test

Abb. 5: Transfer der beiden Trainings­bedingungen auf das Physiklernen in Experiment 2

Art des Trainings

das Training stärker auf den konkret­situativen Test als auf den abstrakten Test transferiert. Ein vergleichender Blick auf die erzielten Effektstärken zeigt das deutlich.

Tabelle 7: Effektstärken ES,, bei Tests des induktiven Denkens

Experiment ITID SPM 1 Rademacher 0.89* 0,59* 2 Werk 0,70* 0,32* * p<0,05

Aufgrund von Tabelle 7 1äßt sich also folgendes feststellen. Erstens: beide Va­riablen des induktiven Denkens wurden durch das Denktraining stärker geför­dert als durch das Vergleichstraining genauso, wie das erwartet worden war. Zweitens: In beiden Fällen ist der Effekt auf den transfernäheren Test größer als auf den transferferneren. Auch das ent­spricht der Erwartung. Es stellt dies auch ein weiteres Indiz dar für die Behaup­tung, daß die Wirkung unseres Denk­trainings bereichsspezifisch statt unspe­zifisch-allgemein ist. Alleine schon des­halb ist zu erwarten, daß der Transfer­effekt geringer wird, wenn die Transfer­distanz noch weiter anwächst, das heißt daß wir es mit einem diskriminanten Transfereffekt zu tun haben, wofür un­ter anderen ja auch Masendorf verschie­dentlich Beweise beigebracht hat, wor­auf oben schon zu verweisen war.

Unbeschadet dessen kann aber kein Zweifel daran bestehen, daß es sich mit

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 4, 1995

Gedächtnis

Indukt. Denken

dem induktiven Denken um einen be­sonders zentralen Bereich handelt. Das ergibt sich schon aus dem Umstand, daß die Tests zur Erfassung des induktiven Denkens in der Regel solche sind, die den Faktor der fluiden Intelligenz erfas­sen.

Wie ordnen sich die hier vorgelegten Ergebnisse in die bislang veröffentlich­ten ein? Vor drei Jahren konnten eben­falls schon zwei Untersuchungen vorge­stellt werden, in denen das Denktraining für Jugendliche bei Lernbehinderten er­probt worden war(Klauer 1993b). Ta­belle 8 bietet eine Übersicht über die vier Erprobungen, bezogen auf Variablen des induktiven Denkens.

Tabelle 8: Effektstärken ES, die mit Hilfe des Denktrainings für Jugendliche bei Lernbehin­derten der Oberstufe und bei standardisierten Tests des induktiven Denkens erzielt worden sind

Experiment N Test ES,

korr Esser 36 CFT 0,19 Igelmund 46 SPM 0,57% Rademacher 45 SPM 0,59* Werk 36 SPM 0,32*

a Mittelwert verschiedener Treatments bzw. Variablen * p<0,05

Wie man sieht, fügen sich die neuen Befunde in den Rahmen der früheren gut ein. Eine Metaanalyse nach dem Ran­dom-Modell auf Grund von Tabelle 7 führte zu folgenden Ergebnissen. Die Effektstärken sind als homogen anzuse­hen, das heißt die Unterschiede können zur Gänze auf Stichprobenfehler zurück­

167

{ f