Karl Josef Klauer+
Weitere Erprobung des„Denktrainings für Jugendliche“ in der Oberstufe der Schule für Lembehinderte
A
kungen gebracht werden können. Dieser Sachverhalt impliziert einige wichtige Konsequenzen.
Zunächst einmal wird man feststellen müssen, daß es nicht gleichgültig ist, wer ein Training durchführt. Vermutlich wird es nicht möglich sein, alle individuellen Effektunterschiede auszugleichen, was im Sinne einer Chancengleichheit der zu Trainierenden natürlich wünschenswert wäre. Immerhin dürfte aber möglich sein, einen Mindeststandard zu gewährleisten. Unsere Trainerperson 3 hat offenbar verhindert, daß deren Jugendliche den üblichen Wiederholungsgewinn beim Test realisieren konnten. Sie hat den Jugendlichen wahrscheinlich also geschadet, und damit wäre der pädagogische Mindeststandard sicher unterschritten. Zwei Möglichkeiten bieten sich als Ausweg an, entweder Selektion von Trainerpersönlichkeiten oder ein vorheriges Training der Trainerpersonen. Beide Möglichkeiten lassen sich sogar verbinden, indem man erst ein Training der Trainerpersonen durchführt und dann die bestgeeigneten auswählt.
Bei unsern Versuchen bestand die Vorinstruktion der Trainerpersonen in der Regel darin, daß sie das Handbuch durcharbeiteten. Seltener erfuhren sie vorher selbst ein Training. Nachträglich kann die Vermutung geäußert werden, daß die Anweisungen in den Handanweisungen zum Trainingsprogramm wirkungsvoller gestaltet werden könnten. Besser gelungen erscheinen in dieser Hinsicht die niederländischen Handanweisungen für Denktraining I von Koning-de Jong& Hamers(1995) sowie für Denktraining I und II von Klauer, Resing& Slenders (1995). Deren Autoren haben jede Lektion detailliert ausgearbeitet, so daß beispielsweise Lehrkräfte sich daran unmittelbar orientieren können.
Für die Trainingsforschung ergeben sich ebenfalls wichtige Konsequenzen. Man muß schließen, daß die bisher vorgelegten Befunde ebenfalls durch unterschiedlich wirksame Trainer belastet sind. Bei den Versuchen aus meinem Arbeitskreis wurden relativ viele Untersuchungen durch eine einzige Trainerperson durchgeführt, die das Denktraining absolvier
te, während die Kontrollkinder im Unterricht verblieben. In einigen Fällen wurden so ungewöhnlich hohe Effekte erzielt, in einigen Fällen aber auch gar keine. Ein Teil dieser Variabilität kann sicher auf unterschiedlich geeignete Trainerpersonen zurückgeführt werden. Es ist klar, daß die bislang etwa in Klauer (1993b) vorgelegten Metaanalysen die tatsächlichen Effekte unterschätzen müssen, wenn darin auch unwirksame Trainerpersonen einbezogen waren.
Hager und Hasselhorn haben wiederholt relativ viele Kinder im Einzeltraining trainieren lassen, wobei jedes Kind von einer anderen Trainerperson trainiert worden ist(Hager& Hasselhorn 1993a, Hager& Hasselhorn 1993b). Auf diese Weise erhält man sicher eine gute Schätzung der durchschnittlichen Wirkung der Trainerpersonen bei den jeweiligen Programmen. Wenn man aber nicht für die Einhaltung der erwähnten Mindeststandards sorgt, was diese Autoren ebenso wenig getan haben wie dies in meinem Arbeitskreis geschehen ist, So resultiert natürlich eine hohe Fehlervarianz, die es schwer macht, überhaupt signifikante Unterschiede zwischen den Programmen zu finden.
4. Fördert die Teilnahme an einem beliebigen kognitiven Training das induktive Denken ebenso wie die Teilnahme am Denktraining?
Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist die Vermutung angestellt worden, die Effekte des Denktrainings könnten unspezifisch für das Förderprogramm sein und einfach durch die Teilnahme an irgend einem kognitiven Training ebenso entstehen, etwa durch die spezifisch motivierenden Effekte der Trainingssituation als solcher(Hager& Hasselhorn 1993a; Hager, Hasselhorn& Elsner 1995). Angesichts der nachgewiesenen Bereichsspezifität der Effekte des Denktrainings erschien mir diese Argumentation, wie gesagt, stets wenig überzeugend. Da die Argumente aber nachhaltig vorgetragen wurden, schien es zweckmäßig, mit eigenen Versuchen darauf einzugehen.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 4, 1995
Im vorliegenden Beitrag wurde in jedem Experiment der Gruppe mit dem Denktraining eine Gruppe kontrastiert, die ebenfalls ein Training erhielt, aber ein im wesentlichen nichtinduktives Training. Da die Auswahl alternativer Trainingsvarianten aber sehr groß ist, sollte nicht ein bestimmtes Training herausgegriffen werden, vielmehr sollte in jedem Experiment ein anderes Vergleichstraining eingesetzt werden. Wenn die Argumentation von Hager und Hasselhorn zuträfe, so würde man vorhersagen, daß kein signifikanter Unterschied zwischen dem Vergleichstraining und dem Denktraining anzutreffen wäre. Das Gegenteil war aber der Fall. In beiden Experimenten war das Denktraining dem Kontrolltraining signifikant überlegen. Das Argument der Autoren ist damit widerlegt.
Ein erneuter Blick auf Tabelle 7 ist in diesem Zusammenhang nützlich. Dort wird über vier Versuche mit dem Denktraining für Jugendliche bei Lernbehinderten berichtet. Die ersten beiden Experimente kontrastierten die Gruppe mit dem Denktraining einer Gruppe, die kein Training erhielt, sondern weiterhin am regulären Unterricht teilnahm. Die beiden folgenden Experimente kontrastierten das Denktraining hingegen mit jeweils einem anderen Training. Wäre die Argumentation von Hager und Hasselhorn zutreffend, so sollten die Effekte in den beiden letzten Untersuchungen nicht signifikant sein, und die erzielten Effektstärken sollten nicht signifikant von Null verschieden und jedenfalls kleiner als die der beiden ersten Experimente sein. Wie man sieht, ist nichts davon eingetreten. Tabelle 7 deutet darauf hin, daß es für die erzielten Effekte gleichgültig ist, ob die Kontrollgruppe am Unterricht teilnimmt oder ein eigenes anderes Training erhält.
Genau diese Schlußfolgerungen konnten auf Grund einer umfangreichen Metaanalyse für Denktraining 1 gezogen werden(vgl. Klauer 1995): Bei zwölf Experimenten mit insgesamt 321 Kindern erzielten die induktiv trainierten Kinder in jedem einzelnen Experiment im Durchschnitt bessere Werte als die Kinder, die irgend ein Vergleichstraining
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