Erwin Breitenbach und Andrea Reuter
Veränderte Kinder veränderte Schule?
solche, die hyperkinetischen Kindern zugeschrieben werden. Bei der Frage nach den besonders belastenden Auffälligkeiten der SchülerInnen spielen Klassenstufe und Klassengröße keine bedeutsame Rolle. Die gefundenen Unterschiede erreichen das Signifikanzniveau nicht. Durch die Schwierigkeiten der Schüler fühlen sich eher mehr Lehrerinnen belastet als Lehrer. Signifikant werden diese Unterschiede jedoch nur bei 5 von 34 Auffälligkeiten(U-Test, p<.05). Dies ist der Fall bei motorischer Unruhe, Stehlen, sexuellen Auffälligkeiten, Alkoholmißbrauch und Überängstlichkeit. Besonders junge Lehrkräfte(26 bis 42 Jahre) mit entsprechend wenigen Dienstjahren(1 bis 9 Jahre) empfinden signifikant häufiger eine besondere Belastung durch erhöhte Aggressivität ihrer Schüler, vor allem durch Gewalt, die sich gegen die Lehrkraft selbst richtet(U-Test, p<.05).
Überforderung
Auf die Frage, ob sie sich zur Zeit ihren Aufgaben als SonderschullehrerIn gewachsen fühlen und ob sie den Ansprüchen, die an sie gestellt werden, gerecht werden, antworten 88 Prozent der befragten Lehrkräfte mit„ja“. Geschlechtsspezifische Unterschiede können bei der Beantwortung dieser Fragen nicht festgestellt werden. Die Frage nach der Überforderung wurde von einer Lehrerin in einem begleitenden Brief mit folgenden Worten kommentiert:„Die Zeiten sind schwieriger geworden, doch liegt kein Grund zur Resignation vor“.
Wünsche nach Unterstützung und Hilfe
Obwohl sich die befragten Lehrkräfte ihren Aufgaben grundsätzlich gewachsen fühlen, wünschen sie sich dennoch Hilfe und Unterstützung. Fast 60 Prozent glauben, daß eine Unterstützung ihrer Arbeit durch andere Fachleute wie Ärzte, Psychologen, Krankengymnasten, Logopäden oder Ergotherapeuten besonders hilfreich sei. 45 Prozent wünschen sich mehr Unterstützung durch die Eltern ih
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Tab. 4: Angaben der Lehrkräfte auf die Frage nach gewünschter Hilfe und Unterstützung (n= 169)
Wünschen Sie sich für Ihre Arbeit Nennungen der
mehr Hilfe und Unterstützung? Lehrkräfte (Angaben
in Prozent)
durch andere Fachleute(Ärzte,
Psychologen, Krankengymnasten,
Logopäden,...) 59
durch Eltem 45
durch Supervision 39
durch Schulbehörden 34
durch Erziehungsberatungsstellen 25
durch Kolleginnen und Kollegen 21
durch Schulkonferenz”
rer SchülerInnen, und fast 40 Prozent versprechen sich Hilfe von Supervision. Erst jetzt tauchen in der Rangliste Schulbehörde, andere Kollegen und die Schulkonferenz auf. Nur 34 Prozent der Befragten wünschen und erwarten sich Hilfe von seiten der Schulbehörde und lediglich 20 Prozent betrachten die Einrichtung einer Schulkonferenz oder die kollegiale Beratung als hilfreich.
Veränderungsvorschläge
Fast 80 Prozent der befragten Lehrkräfte schlagen an erster Stelle eine zusätzliche Förderung verhaltensauffälliger SchülerInnen vor. An zweiter Stelle, von etwa 63 Prozent der Lehrkräfte ange
Tab. 5: Angaben der Lehrkräfte auf die Frage nach ihren Veränderungsvorschlägen(n= 169)
Wenn Sie könnten, Nennungen der was würden Sie an ihrer Lehrkräfte jetzigen beruflichen(Angaben Situation verändern? in Prozent) zusätzliche Förderung verhaltens
auffälliger Schüler 78 Reduzieren der Klassenstärke 63 Ausbau des schulpsychologischen Dienstes 49 zusätzliche Aus- und Weiterbildung 45 zeitliche Entlastung der Lehrer 41 Einbeziehen neuer Unterrichtsinhalte 36 Team-Teaching 35 Abschaffen von Lehrerbeurteilungen 33 Ganztagsschule 31 Reduzieren der Unterrichtsinhalte 30 mehr Gespräche mit Kolleginnen
und Kollegen 24 Kontaktaufnahme mit Eltern 21 Unterrichtsbesuche durch Kolleginnen
und Kollegen 19
Einführen der kooperativen Gesamtschule 10
kreuzt, folgt der Vorschlag, die Klassengröße zu reduzieren. 49 Prozent der Befragten schlagen einen Ausbau des schulpsychologischen Dienstes und eine zusätzliche Aus- und Weiterbildung der LehrerInnen vor. Weniger als 35 Prozent der befragten Lehrkräfte würden eine sinnvolle und hilfreiche Veränderung im Teamteaching, in der Abschaffung der Lehrerbeurteilungen durch die Schulaufsichtsbehörde, im Einführen einer Ganztagsschule und im Reduzieren der Unterrichtsinhalte sehen. Vermehrte Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen, Unterrichtsbesuche durch Kolleginnen und Kollegen oder die Einführung einer kooperativen Gesamtschule werden nur von weniger als 25 Prozent der Befragten als Veränderung vorgeschlagen.
Diskussion
Erwartungsgemäß beobachten die befragten Lehrkräfte bei ihren lernbehinderten SchülerInnen in erster Linie Schwierigkeiten im Erwerb der Kulturtechniken, sowie bei damit zusammenhängenden Teilfunktionsstörungen. Dies ist nicht verwunderlich, schließlich liegt in dieser Problematik der Grund für die Anwesenheit dieser Kinder an der Schule zur individuellen Lernförderung.
Ähnlich wie in den Sprachheilschulen scheinen die Lehrkräfte der Schule zur individuellen Lernförderung deutliche Veränderungen im Störungsbild ihrer SchülerInnen wahrzunehmen. Vermehrt registrieren sie Verhaltensweisen, die von hyperkinetischen Kindern bekannt sind: hohe Ablenkbarkeit, geringe Ausdauer als Symptome für eine Aufmerksamkeitsstörung, nicht an Regeln halten können als Folge von Impulsivität und motorische Unruhe als Ausdruck von Hyperaktivität. Etwas weniger stark aber dennoch beachtlich ist die beobachtete Zunahme bei Schulleistungsschwächen wie geringer Wortschatz und Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. Ein extrem hoher Prozentsatz der Lehrkräfte konstatiert ein Anwachsen bei aggressiven, gewalttätigen Verhaltensweisen, obwohl Gewalt und Aggression von den Befragten an unterfränkischen Schulen zur indivi
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 4, 1995