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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Heinrich Tröster, Werner Hecker und Michael Brambring+ Die motorische Entwicklung blinder Kinder

Tabelle 3: Lokomotorische Entwicklung

reifgeborene blinde Kinder (n=5) Krabbeln hält sich im Vierfüßlerstand 11.0% 9.5-15.0 schaukelt im Vierfüßlerstand 12:5 11.5-16.0 robbt 13.3 13.0-17.5 krabbelt unkoordiniert 14.5 12.5-20.5 krabbelt koordiniert 19.0 14.0-23.5 Laufen läuft an zwei Händen gehalten 12.0 11.0-12.5 läuft an einer Hand gehalten 14.0 13.0-14.5 läuft an Möbeln entlang 13.5 12.5-15.5 läuft 3 Schritte frei 15.5 13.5-18.0 läuft 10 Schritte frei 17.5 15.5-20.0 Treppensteigen und Hüpfen steigt Treppe herauf 175 17.0-20.0 steigt Treppe herunter 18.0 17.0-26.5 hüpft auf zwei Beinen 25.0 20.539.0

frühgeborene nichtbehinderte blinde Kinder Kinder (n=5)(Normdaten) 14.0 j 9.0-19.0 14.3% j 11.0-16.0 15,5% 1 15.5-23.5 5.0-11.0 18.0 8.08 14.0-27.5 6.0-12.0 22.5 9.7 19.5-27.5 7.0-13.0 13.0 8.8! 12.0-18.0 6.0-12.0 19.5 9.67 14.0-22.5 7.0-12.0 18.5 9.6 15.5-22.5 8.4-11.7 26.5 11.71 23.041.0 9.0-17.0 30.0 13.6" 24.041.0 12.3-16.0 34.3° 16.17 24.541.0 12.0-23.0 36.5° 16.41 26.041.0 13.0-23.0 38.0% 25.7 26.549.5 23.4-31.5

Anmerkungen. Altersmedian(in Monaten), Zeile: Altersspannweite.

bei einem Kind nicht beobachtet. bei zwei Kindern nicht beobachtet.

A N)

keine Altersangaben für sehende Kinder verfügbar.

der, die kurzzeitig stehen können, nach durchschnittlich 1.6 Monaten in der La­ge sind, sich selbständig zum Stand auf­zurichten, dauerte es bei den reifgebo­renen blinden Kindern durchschnittlich noch 4 Monate und bei den frühgebo­renen blinden Kindern noch 17 Monate, ehe sie sich von der Sitzposition oder vom Vierfüßlerstand zum Stand aufrich­ten konnten. Alle reifgeborenen blinden Kinder und drei der frühgeborenen blin­den Kinder konnten bereits sicher ste­hen, bevor es ihnen gelang, sich ohne Unterstützung in diese Position zu brin­gen.

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zu Beginn der Untersuchung von zwei Kindern gekonnt.

von zwei Kindern bis zum Alter von 49.0 bzw. 52.5 Monaten nicht bewältigt. von einem Kind bis zum Alter von 49.0 Monaten nicht bewältigt.

Bayley Scales of Infant Development(Bayley 1969); 5-95% Altersspannweite. nach Zwiener, Schmidt-Kolmer& Niebsch(1982); 5-95% Altersspannweite. Denver Entwicklungsskalen(Fehmig 1975); 25-90% Altersspannweite Griffith Entwicklungsskalen(Griffiths 1983); 5-95% Altersspannweite.

Tabelle 3 zeigt die lokomotorische Ent­wicklung der blinden Kinder im Ver­gleich zu den Entwicklungsnormen se­hender Kinder. Die termingerecht gebo­renen blinden Kinder konnten durch­schnittlich 3 bis 4 Monate später als se­hende Kinder laufen und etwa 9 Monate später koordiniert krabbeln. Deutlich größer waren die Entwicklungsverzö­gerungen der frühgeborenen blinden Kinder. Sie liefen erst 15 Monate später als sehende Kinder erste Schritte ohne Unterstützung und begannen erst 13 Mo­nate später, koordiniert zu krabbeln.

Wie die Abbildungen 1 und 2 veran­

schaulichen, waren die Entwicklungsun­terschiede zwischen reif- und frühge­borenen blinden Kindern größer als die zwischen reifgeborenen blinden und se­henden Kindern. Offenbar ist die moto­rische Entwicklung stärker durch die Frühgeburtlichkeit als durch den Aus­fall der Sehfähigkeit gefährdet. Dies kommt auch in dem langsameren Ent­wicklungstempo der frühgeborenen blin­den Kinder zum Ausdruck. Während sich der Entwicklungsrückstand der reifgebo­renen blinden Kinder gegenüber sehen­den Kindern im Verlauf der ersten drei Lebensjahre eher verringerte, vergrößerte sich der Abstand der frühgeborenen blin­den Kinder zu den nichtbehinderten Kin­dern mit zunehmendem Alter. So be­trug der Entwicklungsrückstand der frühgeborenen blinden Kinder beim selb­ständigen Laufen im dritten Lebensjahr etwa 1 bis 1 1/2 Jahre, wohingegen die reifgeborenen blinden Kinder durch­schnittlich 3 bis 4 Monate später als se­hende Kinder anfingen, ohne Unterstüt­zung zu laufen.

Neben dem langsameren Entwicklungs­tempo fallen die erheblichen interindi­viduellen Unterschiede in der motori­schen Entwicklung der frühgeborenen blinden Kinder auf. Die Variationsweite des erstmaligen Auftretens der motori­schen Fertigkeiten(Tabelle 1 und 2) ist innerhalb der Gruppe der frühgeborenen blinden Kindern im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen deutlich grö­Ber und nimmt mit dem Alter zu.

Über einen allgemeinen Entwicklungs­rückstand besonders der frühgeborenen blinden Kinder hinaus wurden spezifi­sche Abweichungen in der lokomotori­schen Entwicklung der blinden Kinder beobchtet. Während sehende Kinder im allgemeinen erst krabbeln und danach anfangen, zu laufen, konnten vier der reifgeborenen blinden Kinder zuerst lau­fen und fingen danach an, zu krabbeln; eines der Kinder begann etwa gleichzei­tig zu krabbeln und zu laufen. Drei der fünf reifgeborenen blinden Kinder konn­ten früher Treppensteigen als koordiniert Krabbeln. Im Durchschnitt begannen die reifgeborenen blinden Kinder 3.5 Mo­nate, nachdem sie bereits drei Schritte Ohne Unterstützung laufen konnten, ko­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 3, 1994