Statuomotorik Sitzen/ Stehen
Heinrich Tröster, Werner Hecker und Michael Brambring* Die motorische Entwicklung blinder Kinder
steht sicher allein
steht allein auf
steht kurz allein
zieht sich an Möbeln
zum Stand
setzt sich allein auf
steht mit Festhalten
sitzt sicher
mit Lageveränderung
sitzt sicher
(0
:|-reifgeborene blinde K. ‘|* frühgeborene blinde K.
:|= sehende Kinder
"6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36
Alter in Monaten
Abb. 1: Altersmedian statuomotorischer Fertigkeiten reifgeborener blinder Kinder(n= 5), frühgeborener blinder Kinder(n= 5) und sehender
Kinder.
ordiniert zu krabbeln. Die frühgeborenen blinden Kinder, die erst sehr spät in der Lage waren, erste Schritte zu gehen, konnten alle bereits an einer Hand laufen, ehe sie durchschnittlich 3.0 Monate später anfingen, in gekreuzter Koordination zu krabbeln.
Diskussion
Die reifgeborenen blinden Kinder wiesen in der Entwicklung ihrer Haltungsund Gleichgewichtskontrolle nur geringe Verzögerungen gegenüber sehenden Kindern auf. Fast alle reifgeborenen blinden Kinder erreichten die Meilensteine des Sitzens und Stehens innerhalb der Altersnormen(5%-95% Altersrange) sehender Kinder. Deutlichere Entwicklungsverzögerungen gegenüber sehenden Kindern zeigten sie dagegen in ihren
Kinder.
Fertigkeiten zur Haltungs- und Lageänderung sowie zur selbständigen Fortbewegung. Am Ende ihres zweiten Lebensjahres waren jedoch alle termingerecht geborenen blinden Kinder in der Lage, sich selbständig zum Stand aufzurichten und ohne Unterstützung zu laufen. Die Ergebnisse stimmen weitgehend mit denen von Fraiberg(1977) überein, die die Entwicklung von zehn geburtsblinden Kindern ohne zusätzliche Schädigung, darunter drei frühgeborene blinde Kinder, längsschnittlich verfolgte.
Da bei vier der fünf reifgeborenen blinden Kindern unserer Stichprobe zusätzliche zerebrale Schädigungen mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden können und alle blinden Kinder unseres Forschungsprojektes eine intensive behinderungsspezifische Frühförderung erfahren haben, dürften die Ursachen für das im Vergleich zu sehenden Kin
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 3, 1994
hüpft auf zwei Beinen steigt Treppe herunter steigt Treppe herauf läuft 10 Schritte frei läuft 3 Schritte frei läuft an einer Hand läuft an Möbel entlang läuft an zwei Händen krabbelt koordiniert krabbelt unkoodiniert robbt
schaukelt im Vierfüßlerstand
Lokomotion Krabbeln/ Laufen
=
- reifgeborene blinde K. =*- frühgeborene blinde K.
*- sehende Kinder
x 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39
Alter in Monaten
Abb. 2: Altersmedian lokomotorischer Fertigkeiten reifgeborener blinder Kinder(n= 5), frühgeborener blinder Kinder(n= 5) und sehender
der spätere Erreichen der Meilensteine
der motorischen Entwicklung im Aus
fall der Sehfähigkeit zu suchen sein.
Unter dieser Voraussetzung stellt sich
die Frage nach den Funktionen der Vi
sualität für die motorische Entwicklung
und den möglichen Folgen ihres Ausfalls für die verschiedenen motorischen
Fertigkeitsbereiche. Daran anknüpfend
ergeben sich einige Anhaltspunkte für
spezifische Auswirkungen der Blindheit auf die motorische Entwicklung:
(1) Das Fehlen visueller Informationen zur Feinjustierung der vertikalen Körperausrichtung im Sitzen und Stehen, zur Antizipation kompensatorischer Ausgleichsbewegungen zur Gleichgewichtsstabilisierung nach aktiver oder passiver Lageänderung sowie mögliche Einschränkungen, Lageinformationen im Gedächtnis zu speichern(Shingledecker 1978), be
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