Franz B. Wember
Design Personenstichproben
Evaluation in Einzelfallstudien
Zeitstichproben
unkontrollierte Fallstudie
Eg N=15
X
Zeitreihendesign mit einer
Versuchsgruppe
0: 02 03
X 04 05 06
—+————
Quasiexperimentelle Einzelfallanalyse
EP/KP N=1
getroffen werden. Sehr viel häufiger (Fitz-Gibbon& Morris 1987, 62) begegnet man dem simplen Design einer unkontrollierten Fallstudie(siehe oben, Abb. 4): Eine meist anfallende und meist kleine Stichprobe von mehr oder minder für eine Zielpopulation repräsentativen Versuchspersonen wird einer Vortestmessung unterzogen; anschließend wird eine Intervention eingesetzt und gegen Ende wird eine Posttestmessung durchgeführt, die nicht selten mit der Prätestmessung identisch ist, um die vermeintliche Vergleichbarkeit zu erhöhen. Es wird bei diesem Design nämlich versucht, die Intervention durch Vergleich der Vor- und Nachtestwerte zu beurteilen.
Die unkontrollierte Fallstudie ist recht einfach zu realisieren, aber sie erlaubt keine Rückschlüsse auf die Programmeffektivität; da entsprechende Vergleichsdaten nicht erhoben werden, kann niemand sagen, wie die Posttestwerte ohne Intervention ausgefallen wären— folglich ist nicht auszuschließen, daß eventuell beobachtete Veränderungen in der Ausprägung der abhängigen Variablen auf unspezifische Einflüsse außerhalb der Intervention, auf Vorgänge der allgemeinen Reifung und Entwicklung usw. zurückzuführen sind. Es gibt nur einen Sonderfall; wenn im Vor- und Nachtest standardisierte Testverfahren verwendet werden, zu denen alterstypische Normwerte existieren, lassen sich die beobachteten Lernfortschritte mit dem alterstypischen Entwicklungsverlauf vergleichen und so erste Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der geprüften Intervention
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X X X 0; 02 03 04 Os...O15 016 017... Abb. 4: Von der unkontrollierten Fallstudie zur quasiexperimentellen Einzelfallanalyse
ziehen. Voraussetzung dafür ist, daß die Personen in der Stichprobe vergleichbar sind mit der Eichstichprobe des Tests, weil letztere über die Normdaten gewissermaßen als Vergleichsgruppe bzw. Kontrollgruppe benutzt wird.
Leider stehen normierte und ausreichend reliable und valide Testverfahren bei weitem nicht für alle sonderpädagogisch interessierenden Variablen zur Verfügung, und selbst dann ist der Rückschluß auf die Intervention eher gewagt. Es ist deswegen Campbell und Stanley(1970) zuzustimmen, die geraten haben, grundsätzlich und wann immer möglich Designs mit Kontrollgruppen zu wählen. Aber was tun, wenn nur eine einzige Stichprobe für Untersuchungszwecke zur Verfügung steht? Sollte man in diesem in der Sonderpädagogik nicht seltenen Fall auf Forschung gänzlich verzichten? Campbell und Stanley(1970) schlagen vor, die Präzision der Parameterschätzung in unkontrollierten Fallstudien zu erhöhen, indem Vor- und Nachtest durch eine Reihe von— mindestens drei— zeitversetzten Messungen ersetzt werden. Abbildung 4 zeigt, daß das so entstehende Zeitreihendesign mit einer Versuchsgruppe eine logische Fortsetzung der Konstruktion von Versuchsplänen ist: wenn sich die Personenstichprobe nicht vergrößern läßt, vergrößere man kompensierend die Zeitstichprobe! Die Serie von Vortestmessungen erlaubt die Projektion des Verlaufs der Ausprägung der abhängigen Variablen in die Zukunft hinein, und die nach Beendigung der Intervention beobachteten Meßwerte können mit den vorhergesagten Werten
verglichen werden: ergibt sich eine Abweichung in der erwünschten Richtung, wird vorerst auf Wirksamkeit der Intervention geschlossen.
Die quasi-experimentelle Einzelfallanalyse, das letzte in Abbildung 4 aufgeführte Forschungsdesign, führt das Konstruktionsprinzip„Zeitpunkte statt Personen“ konsequent weiter, indem die Personenstichprobe deutlich reduziert wird, im Extremfall auf N= 1, und kompensierend die Zeitstichprobe maximiert wird. Nun werden nicht, wie in Gruppenvergleichsstudien, viele Personen zu einem oder zwei Zeitpunkten untersucht, sondern eine oder wenige Personen zu vielen Zeitpunkten. Die Forschungslogik solcher Designs ist als Analogie der traditionellen Strategie aufzufassen: auch hier werden vorgeordnete theoretische Sätze über die empirische Prüfung korrespondierender statistischer Hypothesen getestet, nur daß an die Stelle des Gruppenvergleichs der Phasenvergleich tritt, wie Abbildung 5 schematisch zeigt. Die einzelfallanalytisch orientierte Forscherin prüft die gleiche theoretische Hypothese wie der gruppenanalytisch orientierte Forscher(s.o., Abb. 3), und sie übersetzt diese gleichermaßen in eine gerichtete statistische Hypothese(hier: M,> M,), nur daß sie eine individuumsbezogene Vorhersage abgibt, derzufolge eine Versuchsperson in einer Interventionsphase durchschnittlich höhere Ausprägungen der abhängigen Variable zeigen wird als in einer interventionsfreien Kontrollphase. Die Forscherin wird eine für die Zielpopulation repräsentative Versuchsperson auswählen und die Ausprägung der abhängigen Variable eine zeitlang beobachten, gewissermaßen unter natürlichen Bedingungen, bevor sie die Intervention einführt und begleitend dazu und über einen längeren Zeitraum hinweg weitere Messungen vornimmt. Falls sich die Ausprägung der abhängigen Variable unter Interventionsbedingungen in der vorhergesagten Richtung ändert, und falls diese Änderung statistisch und praktisch signifikant ist, wird die Forscherin schließen, daß dieser Effekt vorrangig auf die Intervention zurückgeht— folglich hat sich die vorgeordnete theoreti
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 3, 1994