Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
114
Einzelbild herunterladen

Franz B. Wember- Evaluation in Einzelfallstudien

werte unterhalb des Medians. Dieses em­pirische Ergebnis ist unter Gültigkeit der Nullhypothese äußerst unwahrscheinlich (Binomialtest am Median der Kontroll­phase, p(x= 19| N= 19)<.001 nach Tafel 1 bei Bortz, Lienert& Boehnke 1990, 633). Es ist den Autoren folglich gelungen, mit einer relativ einfachen In­tervention dem ersten Schüler zu voll­ständiger und konsistenter Kontrolle zu verhelfen. Die Daten dieses Schülers al­lein reichen jedoch nicht, um zu bele­gen, daß die zunehmende Kontrolle über die eigene Blase allein oder vorrangig auf die Intervention zurückgeht. Viel­leicht hatte der Schüler mit Beginn der

Intervention gerade zufällig eine Bla­seninfektion überwunden? Vielleicht hat er während der Intervention weniger ge­trunken als üblich? Solche Argumente verlieren an Überzeugungskraft, wenn man sich die Daten der beiden anderen Schüler anschaut(Abb. 8, Mitte und un­ten). In beiden Fällen bleibt die Anzahl von Inkontinenzen vor der Intervention mit etwa 10 respektive 14 Punkten rela­tiv hoch, in beiden Fällen ist mit Einset­zen der Intervention ein schnelles Ab­sinken auf 0 zu beobachten, in beiden Fällen bleibt die Kontrolle nach der In­tervention nahezu fehlerfrei erhalten, und in beiden Fällen läßt sich das Er­

Abb. 9: Prozentsatz negativer Urinproben pro Woche und Behandlungs­gruppe von jeweils 6-7 an Diabetes erkrankten Kindern(geändert nach

Epstein et al., 1981, S. 371) %= Prozentsatz negativer Urinproben t= Behandlungswochen Mittelwert Standardabweichung des Mittels A Kontrollphase B Interventionsphase

114

gebnis inferenzstatistisch absichern (Sekundäranalyse mit Binomialtest; Schüler 2: p(x= 15| N= 15)<.001; Schüler 3: p(x= 13| N=13)<.001). Es ist Barmann et al.(1981) folglich gelungen, den bei Schüler 1 beobachte­ten Effekt zweimal zu replizieren, und zwar mit einer zeitlichen Verzögerung von 4 resp. 7 Tagen. Beide Male ist ein Absinken der Werte unmittelbar bei Ein­setzen der Intervention zu verzeichnen. Daß dies kein Zufall ist, legen nicht nur die Ergebnisse der inferenzstatistischen Analyse nahe, sondern auch die zeitli­che Verzögerung bei den Schülern 2 und 3: offensichtlich können die Kinder per Intervention wirksam instand gesetzt werden, ihre Blase zu kontrollieren. Lassen Sie uns abschließend und ohne Detailanalysen die Daten betrachten, die in der Schule erhoben wurden(gestri­Chelte Linien). Es wird unschwer deut­lich, daß diese parallel zu den familiär erhobenen Daten verlaufen und die glei­chen Effekte zeigen, wenngleich mit ge­ringer zeitlicher Verzögerung. Das heißt nichts anderes, als daß sich die drei be­handelten Kinder nicht nur daheim, son­dern auch in der Schule zunehmend bes­ser kontrollieren konnten. Sonderpäd­agogisch betrachtet ist dieser Befund be­merkenswert, zeigt er doch spontanen Transfer des Gelernten auf eine neue Situation: Die Intervention wurde näm­lich nur in der Familie, nicht in der Schule durchgeführt. Da solche positi­ven Transfers gerade bei geistigbehin­derten Kindern eher selten zu beobach­ten sind, kommt man nicht umhin, den hier evaluierten Maßnahmen zur päda­gogischen Behandlung der Enuresis eine hohe Effektivität zuzugestehen.

Wie bei intraindividuellen Replikationen werden auch bei interindividuellen Re­plikationen gelegentlich einzelne Grup­pen von Probanden ausgewählt anstatt einzelner Personen. Wir wollen die Vor­gehensweise kurz an einer Untersuchung zur Verbesserung der Diabetestherapie mit pädagogischen Mitteln demonstrie­ren, die 1981 von Epstein, Beck, Figue­r0a, Farkas, Kazdin, Daneman und Bek­ker vorgelegt wurde. Abbildung 9 zeigt die Ergebnisse von drei Gruppen mit jeweils 6 bis 7 Kindern, die an Diabetes

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 3, 1994