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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Wechselseitige Imitations- und Modellierungs­prozesse in der Behandlung von schweren Verhaltensstörungen bei geistig Behinderten

Von Ulrich Elbing und Ulrich H. Rohmann

Die vorliegende Studie stellt die Anwendung wechsel­seitigen Imitations- und Modellernens im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts für schwere Ver­haltensstörungen bei geistig Behinderten mit autistischen oder psychotischen Zügen vor und untersucht die Wirk­samkeit auf das Problemverhalten und erwünschte alter­native Verhaltensweisen.

Hierzu faßt der Artikel acht Einzelfallstudien zusam­men, die als Längsschnitt-Beobachtungen von zumin­dest 18 Wochen Dauer vor, während und nach der Durchführung eines Intensivtherapie-Programms in ei­nem Heim für Geistig- und Mehrfachbehinderte durch­geführt wurden. Das Verhalten wurde überwiegend in multiple baseline designs erhoben. In sechs Fällen wur­den eine oder zwei mindestens vierwöchige katamne­stische Beobachtungen im Abstand bis zu vier Jahren nach der Intensivtherapie durchgeführt.

Die Befunde weisen auf ein Ergänzungsverhältnis von symptomatischer verhaltenstherapeutischer Behandlung und der Entwicklung alternativen Verhaltens durch Imitations- und Modellierungstechniken hin, wobei eine Reduzierung der Verhaltensstörung auch ohne sympto­matische Behandlung nachgewiesen werden kann. Ne­ben einer Bestätigung der Wirksamkeit des Therapie­konzepts bei sechs von acht Fällen ergibt sich der Be­fund, daß nahezu durchgängig der Zeitpunkt der deut­lichsten Störungsreduktion bereits in der baseline-Pha­se liegt. Dieses Ergebnis wird auf unspezifisch störungs­reduzierende Faktoren hin diskutiert, die durch die Vor­bereitung der Bezugspersonen auf die Behandlung wirk­sam werden können.

This study presents the application of mutual imitation and model learning techniques on mentally handicapped persons with autistic or psychotic symptoms within a multimodal treatment design. The impact on the develop­ment of severely disturbed and socially accepted alter­native behavior is documented before, during and after an intensive therapy program conducted in a residential institution for mentally handicapped persons.

Eight single case studies were made as long term obser­vation with a duration of at least 18 weeks, mostly with a multiple baseline design. One or two follow ups with at least four weeks length were conducted in six cases up to four years after the end of the intensive therapy. The main results confirm successful treatment in six out of eight cases. They show the decrease of problem behavior and the increase of alternative behavior during the therapy program, and the significant reduction of the problem behavior being located in the baseline phase before the beginning of the therapy in all cases but one. The results indicate complementary functions of sym­ptomatic behavioral therapy and the application of mutual imitation and model learning techniques concern­ing reduction of problem behavior and developing communication skills. Additionally, reduction of problem behavior can be achieved in some cases without sym­ptomatic oriented interventions. The reduction of problem behavior before the beginning of treatment is discussed in terms of nonspecific effects of the engagement in treatment preparations by the staff members.

Einleitung

In der psychologischen Literatur zur Be­handlung schwerer Verhaltensstörungen bei geistig Behinderten wird seit gerau­

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mer Zeit und wiederholt berichtet, daß ein Zusammenhang zwischen zuneh­mendem kommunikativem Verhalten und abnehmenden Verhaltensstörungen zu beobachten ist(Carr& Kologinsky

1983; Talkington& Hall 1969; Talking­ton, Hall& Altman 1971; sowie in neue­rer Zeit Bird, Dores, Moniz& Robinson 1989; vgl. auch Duker 1991; Duker, Jol& Palmen 1991). Vor allen Dingen selbst­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 3, 1994