auch nicht annähernd verstehen oder abschätzen können.
Die jeweils beobachteten Verhaltensweisen sowie der Beobachtungsmodus wurden zu Beginn der Vorbereitungsphase von Therapeut und pädagogischen Mitarbeitern gemeinsam festgelegt und operationalisiert. Die hier vorgestellten Daten wurden von den jeweils im Dienst befindlichen pädagogischen Mitarbeitern der Wohngruppen nach ihrem Auftreten notiert(vgl. Hobrücker 1990; zur Verläßlichkeit von Beobachtungen durch Bezugspersonen siehe Rennen-Allhoff 1991). Grundsätzlich wurde täglich während der gesamten Wachzeit beobachtet, wobei die Notationen stündlich erfolgten. Die ganztägige Beobachtung wurde gewählt, um den Anspruch auf Wirksamkeit der Interventionen auch außerhalb der Therapiesituation überprüfen zu können.
Das beobachtende Personal, überwiegend Heilerziehungspfleger und-schüler, ist grundsätzlich in systematischer Verhaltensbeobachtung geübt, da diese ein fester Bestandteil sowohl der Ausbildung als auch der jährlichen Erziehungsplanung ist und darüber hinaus üblicherweise zur Erstellung lerntheoretischer Kontingenzanalysen eingesetzt wird. Die Korrektheit der Beobachtungen wurde zum einen in regelmäßigen Teambesprechungen mit dem Therapeuten und zum anderen durch Stichproben sichergestellt, indem der Therapeut jeweils einige Beobachtungssequenzen nach Zufallsprinzip mitverfolgte und die Notation des diensthabenden Betreuers auf diese Weise einer Gegenprüfung unterzog.
Hypothesen und Methode der Überprüfung
Zwei Aspekte der Wirksamkeit des Kompakt-Therapie-Programms standen im Mittelpunkt der Untersuchung. Zum einen sollte die Wirkung des Therapieprogramms auf die Auftretenshäufigkeit von Verhaltensstörungen bzw. erwünschten Verhaltensweisen untersucht werden. Zum anderen war zu klären, ob die Aufnahme der Behandlung mit der Intensivtherapie einen bedeutsamen Effekt auf
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die Verhaltensentwicklung hat. Die ge
stellten Fragen bilden zwei aufeinander
aufbauende Nullhypothesen:
(1) Die Verteilung der Meßwerte auf die Meßzeitpunkte ist zufällig;
(2) Der Zeitpunkt der deutlichsten Veränderung der Meßwerte ist unabhängig vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginns mit der Intensivtherapie.
Die zweite Hypothese kann nur für die
jenigen Daten überprüft werden, für die
die erste Nullhypothese verworfen werden konnte. Die zweite Hypothese beinhaltet die sehr strenge Voraussage, daß die Verhaltensänderung genau mit dem
Interventionsbeginn zusammenfällt.
Häufig folgen die erwarteten Verände
rungen mit einer Latenzzeit auf den Be
ginn der Intervention, was dann bei der
Interpretation der Ergebnisse zu berück
sichtigen sein wird.
Beide Hypothesen werden mit Rando
misierungstests nach Edgington(1975;
21980) überprüft. Sie verlangen Ordinal
skalenqualität, die hier gewährleistet ist.
Für die erste Hypothese werden die Meß
werte nach Edgingtons Methode der Kor
relationsberechnung zwischen Zeit- und
Variablenreihe in ihre n! möglichen Rei
henfolgen gebracht und der Zeitreihe
zugeordnet. Als Teststatistik wird die
Summe xy, gebildet, mit x, gleich der
laufenden Nummer der Beobachtungs
woche und y; gleich dem positionsgleichen Meßwert. Der Prozentsatz der
Reihenfolgen, deren Testwert bei positi
ver Korrelation größer und bei negati
ver Korrelation kleiner ist als der Testwert der real ermittelten Reihe, gibt die exakte Irtumswahrscheinlichkeit an, mit der die Nullhypothese verworfen wird. Die zweite Hypothese und mit ihr das gewählte AB-Design wird überprüft, indem innerhalb der Meßreihe x Zeitpunkte in Folge als Anzahl theoretisch möglicher Zeitpunkte des treatment-Beginns bestimmt werden. Einer dieser Zeitpunkte ist der tatsächliche Beginn. Die Datenreihe wird an jedem dieser Zeitpunkte geteilt, worauf die Mittelwerte für die
Daten vor dem Zeitpunkt und für die
Daten danach errechnet werden. Für die
einseitige Nullhypothese besteht die
Teststatistik aus der Differenz der bei
Ulrich Elbing und UlrichH. Rohmann- Imitations- und Modellierungsprozesse in der Behandlung von Verhaltensstörungen geistig Behinderter
den Mittelwerte. Die Teststatistik des tatsächlichen treatment-Beginns teilt alle errechneten Werte in eine Gruppe mit größeren und eine mit niedrigeren Werten. Der Quotient dieser beiden Gruppen gibt den Signifikanzwert an(vgl. Edgington 71980).
Beide Prozeduren wurden auf einem IBM-kompatiblen PC mit DOS-Betriebssystem in Pascal programmiert, wobei zur Überprüfung der ersten Hypothese aufgrund der im vollen Umfang nicht rechenbaren immens hohen Permutationen beliebig viele Reihenfolgen zufällig gezogen werden. Nach jeder 500. Ziehung erfolgt eine kummulative Bildschirmanzeige, die die aktuelle Irtumswahrscheinlichkeit nach x Ziehungen anzeigt. Die unten vorgelegten Werte entsprechen der Irrtumswahrscheinlichkeit nach 20.000 Ziehungen, wobei die Werte üblicherweise ab ca. 10.000 Ziehungen bis zur dritten Dezimalstelle stabil sind. Die Werte für die zweite Ziehung werden exakt berechnet nach dem oben angegebenen Algorithmus, wobei das Programm die Teststatistik für alle eingegebenen Zeitpunkte ausgibt.
Zur Überprüfung wurden Wochendurchschnittswerte der beobachteten Verhaltensweisen gebildet.
Ergebnisse
Wie aus Tabelle 2 ersichtlich, kann die erste Nullhypothese für insgesamt vier Personen(Gabi, Max, Gertrud und Franz) auch im Hinblick auf die katamnestische Entwicklung ganz oder überwiegend klar verworfen werden. Bei zwei Personen(Sonja, Alex) kann die Nullhypothese insgesamt nicht verworfen werden, auch wenn im Fall von Sonja zunächst ein deutlicher Effekt nachgewiesen wurde. Wegen der anschließenden negativen Entwicklung mußte jedoch aus Gründen der Vergleichbarkeit auf eine Katamnese verzichtet werden. Im Fall von Alex steht der Verbesserung kooperativen Verhaltens der fehlende Nachweis von Verbesserungen im Problemverhalten gegenüber. Die übrigen zwei Fälle zeigen signifikante Therapieeffekte für Teilbereiche der erhobe
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 3, 1994