so
Gustav Kanter- Sozialpsychologische Untersuchungen an sprachbehinderten Kindern in Normalschulklassen(1964)
Schülern und ihren Klassenkameraden und befragte die Lehrer sowie die Schüler, um Aufschluß über Grad und Form der sozialen Integration zu erhalten. Im einzelnen wurden 28 sprachbehinderte Kinder(22 Jungen und 6 Mädchen), deren„Verkehrsfähigkeit“ merklich vermindert war, erfaßt. Sie befanden sich in 22 Schulklassen(2.8. Schuljahr). Die soziometrische Erhebung erfolgte nach Moreno, wobei als Wahlkriterium die Frage nach den zwei beliebtesten Spielpartnern für Gesellschaftsspiele („Mensch ärgere dich nicht“,„Halma“ u.ä.) gestellt wurde. Ebenso wurden zwei negative Wahlen gefordert, für die Begründungen angegeben werden sollten. Ein kurzes Gespräch sowohl mit dem Lehrer als auch jeweils mit dem sprachbehinderten Kind ergänzten die Erhebung. Außerdem legte Möller dem Lehrer einen Fragebogen vor, in dem nach der körperlichen und geistigen Entwicklung des betreffenden Kindes, nach Persönlichkeitsmerkmalen, sozialen Verhaltensweisen, Beliebtheit in der Klasse, umweltbedingten Belastungsfaktoren und den Schulleistungen gefragt wurde (Möller 1961, S. 6 ff.). Das gewonnene Material wurde in Einzelfalldarstellungen wiedergegeben. Zusammenfassend stellte Möller fest(1961, S. 78-79): 22 Jungen und Mädchen, d.h.% der Kinder waren mehr oder weniger in eine Außenseiterposition gedrängt. Sie wurden direkt abgelehnt, blieben völlig unbeachtet oder befanden sich in isolierten Paarbeziehungen mit anderen randständigen Schülern. 6 Kinder nahmen eine günstigere soziale Stellung im Klassenverband ein; aber nur bei 3 von ihnen waren die Positionen eindeutig gut. Bei den anderen stammten die Wahlen von abgelehnten oder isolierten Mitschülern. Auch die Ergebnisse der Lehrerbefragung schienen Möller für die sprachbehinderten Kinder wenig positiv zu sein. Etwa die Hälfte von ihnen wurde als unkonzentriert, gehemmt, ungeschickt, schüchtern, zaghaft oder ängstlich, viele mit Verhaltensweisen, die auffällig auf Beachtung und Anerkennung ausgerichtet waren, charakterisiert. 2/3 der Kinder zählten zu den leistungsschwachen Schülern.— Möller empfahl darauf
hin die Errichtung eigener Sprachheilklassen, um die Kinder aus ihren Außenseiterstellungen in den Normalschulen zu befreien(Möller 1961, S. 74 ff.). Seine Ergebnisse entsprachen Vermutungen, die schon M. Kollert(1959) auf Grund einer anderen Untersuchung im Rahmen dieses Forschungsprogrammes aussprach. In weiteren Untersuchungen war nun zu klären, ob sich der erste Eindruck hinsichtlich der ungünstigen schulischen Situation und der mangelnden sozialen Einordnung der sprachbehinderten Kinder bestätigte. Zunächst waren dazu nötig: Wiederholung und Erweiterung der bisherigen Versuche sowie Präzisierung der ursprünglichen Fragestellungen in bestimmten Punkten. Die Teiluntersuchung, über die jetzt berichtet wird, ging deshalb von folgenden Fragestellungen aus:
1. Bestätigen sich die in der Erhebung „Möller“ gewonnenen Ergebnisse in einer Wiederholungsuntersuchung am selben Personenkreis?
2. Wie gliedern sich(in einigen wichtigen Punkten) die summarischen Resultate der Erstuntersuchung in der Zweituntersuchung bei verfeinerten Untersuchungsmethoden und weitergehender Analyse der Erhebungsdaten auf?
Im einzelnen sollte festgestellt werden:
a) Welche soziometrischen Positionen erreichen die_sprachbehinderten Schüler(sprachb.Sch.) in der Wiederholungsuntersuchung nach einem Jahr?
b) Führen unterschiedliche Wahlkriterien zu erheblichen Verschiebungen in den soziometrischen Positionen?
c) Wie lauten die Begründungen für die Ablehnungen der sprachbehinderten Schüler absolut und im Vergleich zu den Begründungen für die Ablehnung der Normalschüler?
d) Welche Schulleistungen erzielen die sprachb.Sch. unter Berücksichtigung ihrer Intelligenz?
e) Wie beurteilen die Lehrkräfte die Arbeitsweise der sprachbehinderten Kinder und ihr Verhalten gegenüber Anforderungen geistiger und sportlicher (körperlicher) Art, ferner gegenüber Mitschülern und Lehrern sowie ihre Beliebtheit bei Klassenkameraden?
f) Ergeben sich bei den sprachb.Sch. Besonderheiten in der Aggressionsrichtung und Reaktionsart in Vereitelungssituationen(Rosenzweig P-F Test)?
g) Wirken sich Sprachstörungen ungünstig auf das soziale Eingeordnetsein der Betroffenen aus?
II. DIE UNTERSUCHUNG
A. Untersuchungsgruppe und Durchführung der Untersuchung
Die Untersuchung erstreckte sich auf 510 Schüler in 15 Klassen vom vierten bis zum neunten Schuljahr. 21(17 Ju., 4 M.) der ursprünglich 28 sprachbehinderten Kinder, die Möller erfaßt hatte, wurden noch angetroffen. Davon waren 19 Stotterer, teils mit Polterkomponente, 2 Kinder zeigten Näseln(einmal operierte Gaumenspalte). Das Alter der Kinder lag zwischen 9;6 und 14;7 Jahren (M= 12;3 J.). Wegen der Vergleichbarkeit mit der Population aus der Arbeit
Tabelle 1: Häufigkeitsverteilung der sprachgestörten Kinder nach Alter und Schuljahren
Alter 9 10 11 12 13 14 zZ Anzahlen Ju 1 2 6 3 2 17 Mä= 1= 1= 4 x 1 3 6 4 2 21 Schulj. 4. 5 6 7 8. 9 zZ Anzahlen Ju 4 2 4 3 3 1 17 Mä= 1 2 1== 4 I 4 3 6 4 3 1 21 169
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XX, Heft 4, 1994