32 Fontane Blätter 101 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Ebner-Eschenbach und Fontane ließen Romane und andere Texte in der von Julius Rodenberg(1831–1914) herausgegebenen, so angesehenen wie anspruchsvollen Zeitschrift Deutsche Rundschau erscheinen. Sie traten außerdem mit ihren Arbeiten in der von Emil Dominik(1844–1896) verlegten illustrierten Zeitschrift Zur guten Stunde sowie in Fritz Mauthners (1849–1923) Wochenschrift Deutschland hervor, die 1891 unter der Mitherausgeberschaft Mauthners als Magazin für Litteratur fortgesetzt wurde. 8 Diese Verbindung ließ Fontane wohl auch zum Empfänger des Magazins werden, das vom 14. März bis 13. Juni 1891 in den Heften 11 bis 24 EbnerEschenbachs Novelle Margarete brachte. Eine bedenkenswerte Koinzidenz hatte sich schon in einem früheren Fall ergeben. Im Juni und Juli 1880 erschien Fontanes Roman L’Adultera im Vorabdruck in der von Paul Lindau(1839–1919) herausgegebenen und redigierten Monatsschrift Nord und Süd. 9 In dem»Unter Palmen« überschriebenen 12. Kapitel des Romans findet sich das Sprichwort:»Man wandelt nicht ungestraft unter Palmen.« 10 Das geht auf»Ottiliens Tagebuch« in Goethes Roman Die Wahlverwandtschaften(1809) zurück:»Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen, und die Gesinnungen ändern sich gewiß in einem Lande, wo Elefanten und Tiger zu Hause sind.« 11 Anfang September 1880 schloss Ebner-Eschenbach ihr»dramatisches Sprichwort« – eine ältere dramatische Kurzform 12 – mit dem Titel Es wandelt Niemand ungestraft unter Palmen ab. Dazu heißt es im Kommentar:»Es ist unwahrscheinlich, daß Ebner-Eschenbach Fontanes Roman kannte, bevor sie ihr ›dramatisches Sprichwort‹ schrieb.« 13 Unmöglich ist es aber nicht, wie sich aus dem zeitlichen Zusammenhang ergibt. Jenseits solcher Möglichkeit verlohnt es sich, die unterschiedlichen Literarisierungen des Sprichworts einer Analyse zu unterziehen. Eine anregende Betrachtung hat jüngst Helen Chambers unter dem Titel» Mobilität und Ehebruch, Frauen in der Stadt, Reisende. Provinz, Metropole und Welt bei Fontane und Ebner-Eschenbach« angestellt. Sie kommt auf der Grundlage der Ehebruchsromane Unsühnbar(1889) und Unwiederbringlich(1891) – beide erschienen im Vorabdruck in Rodenbergs Deutscher Rundschau – sowie einer Reihe weiterer Erzähltexte zu dem Schluss, »daß Schriftsteller und Schriftstellerin auf differenzierte und facettenreiche Weise mit Raum- und Mobilitätskonzepten gearbeitet haben. EbnerEschenbachs Umgang mit konventionellen literarischen Mustern scheint, bei dieser Zwischenbilanz, radikaler als Fontanes zu sein.« 14 Das zielt auf größere Zusammenhänge. Inzwischen hat die vergleichende Betrachtung aber auch die»alltagsprägende Kraft der Postkarte« 15 entdeckt. Mit ihr wird die weiterreichende Feststellung verbunden:»Gerade bei Fontane und Ebner-Eschenbach ist zu erfahren, wie Medien strukturbildende Merkmale dieser Prosatexte darstellen, und daß die Protagonisten über Medienwahl und-gebrauch charakterisiert werden.« 16
Heft
(2016) 101
Seite
32
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