Heft 
(2016) 101
Seite
47
Einzelbild herunterladen

»Ist mir aber ein Apostel!« Müller-Seyfarth 47 ­eigener Rezepturen verbat, wurde Wiesike von den Konkurrenten der Heilkunst auf Unterlassung verklagt und gerichtlich verfügt, als nichtap­probierter Heiler keinerlei Therapieangebote zu unterbreiten und Arznei­en zu vertreiben. 7 Wiesike hielt sich daran und unterlief die Verfügung solcherart, dass er einen Schulmediziner als Homöopath mit 800 fl Jahres­gehalt anstellte, der seine kostenlosen Therapien weiterführte. Möglich wurde das Verfahren durch eine Kabinettsorder des Preußenkönigs Fried­rich Wilhelm IV., der der Homöopathie positiv gegenüber stand. Ein Reg­lement von 1843 ermöglichte approbierten Ärzten in Preußen durch ein abgelegtes besonderes Examen die Erlaubnis zum Selbstdispensieren nach homö­opathischen Grundsätzen. Dem Vorwurf der unwissenschaftlichen Heilslehre begegnete Wiesike auf eine für ihn typische Art: Er beantragte an der Berliner Universität einen Stiftungslehrstuhl zur Erforschung der homöopathischen Wirkung und stattete ihn mit einem Stiftungskapital von 100.000 fl aus. Soviel intel­lektuelles und finanzielles Engagement löste bei der zuständigen Ministe­rialbürokratie heftiges Misstrauen aus. Die Zunft nutzte ihre Möglichkei­ten und Wiesikes Angebot wurde abgelehnt. Wiesike ließ sich von seinem sozialmedizinischen Anspruch nicht abbringen und gründete eine Stif­tung, die die Realisation eines homöopathischen Krankenhauses ermög­lichen sollte. Ca. 300.000 fl betrug das Stiftungskapital. Das würde nach unterschiedlichen Umrechnungen das 6–10fache in Euro bedeuten. Testa­mentarisch wurde die Stadt Berlin als Erbin des Vermögens eingesetzt. Der Berliner Magistrat beschloss jedoch in einer Sitzung vom 18. Februar 1881, fast zwei Monate nach Wiesikes Tod,»dieses Legat abzulehnen, weil ihm nur die Oberaufsicht über die Verwaltung des Capitals gewährt, anderer­seits ihm aber quasi eine moralische Verpflichtung durch dessen Annahme auferlegt worden wäre, sich für die Verbreitung der Homöopathie in Berlin und namentlich in dessen Krankenhäusern zu interessieren«. 8 Durch Zu­stiftungen wuchs das Kapital 1891 auf 400.000 fl das Vermögen stand mittlerweile unter der Oberaufsicht des Berliner Polizeipräsidiums. Fonta­ne berichtet von einer Stiftungsurkunde des»homöopathischen Wiesike­Hospitals«, 9 die ihm 1882 ein Nachfahre des Erblassers in Berlin über­bringt, läßt aber offen, ob er sich an der Stiftung beteiligt. Es erfolgte eine neuerliche Eingabe an den Berliner Magistrat wegen Errichtung eines homöopathischen Krankenhauses oder Überlassung ei­ner Station oder einer Baracke in einem der bestehenden Spitale. Im April 1892 erfolgte die neuerliche Absage. Es sei nicht»angängig«, so der Berli­ner Magistrat, für die Anhänger eines speziellen, von der modernen wis­senschaftlichen Medizin abweichenden Heilsystems eine besondere Krankenanstalt zu errichten. Es würden mit gleichem Rechte wie die Ho­möopathen auch die Anhänger der Hydropathie, des Naturheilverfahrens­etc. von der Stadtgemeinde die Errichtung einer besonderen Anstalt zur