48 Fontane Blätter 101 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Behandlung der Kranken nach ihrem System verlangen können. Aus demselben Grunde und bei der Unentbehrlichkeit sämtlicher verfügbaren Betten in den städtischen Krankenanstalten ist es auch – abgesehen von dem dadurch herbeigeführten schädlichen Dualismus[sic!] – unausführbar, eine Baracke für homöopathisch zu behandelnde Kranke zu überweisen. 10 Durch das Engagement der Berliner homöopathischen Ärzte konnte dann 1904 in Lichterfelde-West in der Carstennstraße das erste Spital eröffnet werden, in dem die Homöopathie als Heilverfahren gemeinsam mit schulmedizinischen Therapien praktiziert wurde. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wurde das Krankenhaus dann hauptsächlich als Lazarett genutzt und die Mittel der Stiftung, die für den Unterhalt des Hauses festgeschrieben waren, konnten die fehlenden Gelder für den Unterhalt nicht mehr kompensieren. Das»Wiesike-Hospital« wurde 1917 an die RittbergSchwesternschaft verkauft und später vom Deutschen Roten Kreuz als Träger weitergeführt. 11 Heute dient das ehemalige Rittberg-Krankenhaus, ein repräsentativer Jugendstilbau, dem Roten Kreuz als Geschäftsstelle. Fontane berichtet über Wiesikes homöopathisches Engagement als Chronist, ohne Wertung oder Urteil. Im Gegensatz zu Wiesikes Schopenhauer-Eskapaden, über die Fontane leicht ironisch berichtet, gibt er Wiesikes homöopathisches Wirken realistisch wieder. In seinen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen kommt er immer wieder auf Wiesike zu sprechen, wohl auch, weil die Familie Wiesike in dem Fontane-Freundeskreis Aufnahme fand – man traf sich zum Beispiel in Berlin zu gemeinsamen Theater- und Konzertbesuchen. Über einen gemeinsamen Kuraufenthalt in Wernigerode/Harz berichtet Fontane seiner Frau Emilie im Juli 1878 leicht despektierlich nicht nur über das kalt-feuchte Wetter:»Der alte Wiesike ist jetzt hier und spuckt und schopenhauert weiter; im Uebrigen haben wir uns seiner Anwesenheit aus hundert Gründen zu freuen, so z.B. weil er heizen läßt und dadurch Erinnerungen an Temperaturzustände weckt, wo die Vögel nicht todt aus der Luft fielen.« 12 Durchgängig erinnert sich Fontane, dass er bei seinen Besuchen auf Plauerhof die gemeinsame Zeit harmonisch zwischen Schopenhauer und Weingenuss teilte. Die Eheleute Fontane waren im Sommer 1875 zu Gast bei Wiesike,»die Stunden zwischen Schopenhauer, altem Rheinwein und Naturgenuß gewissenhaft theilend. Alles geschah im Freien, vom Morgenkaffee an, und der ganze Kreislauf der Ernährung vollzog sich unter Plaues ewig blauem Himmel.« 13 Ein Jahr später, also 1876, schrieb er seiner Tochter Martha(Mete), dass er»nach dem 3. August[…] auf eine halbe Woche zu Wiesike gehn, die Wirkung von Apfelwein und Schopenhauer auf[si]ch abwarten und dann an[s]einen Schreibtisch zurück[zu]kehren« 14 beabsichtige. Schon bei seinem ersten Besuch 1874 plante Fontane über Wiesikes Latifundien zu schreiben und genoss vorab das Honorar:»Plauerhof wird
Heft
(2016) 101
Seite
48
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