Heft 
(2016) 101
Seite
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»Ist mir aber ein Apostel!« Müller-Seyfarth 49 wohl mal ein Artikel werden wie Gentzrode; den Ungarwein(als Sänger­Lohn) hab ich hier vorweg genossen.« 15 Wiesikes Weinkeller war gut bestückt, betrieb doch sein Bruder und später dessen Sohn in Brandenburg einen Weinhandel. Mit Letzterem hat­te vor und nach Wiesikes Tod 1880 Fontane ebenso Kontakt. Zum Beispiel besuchte 1888 Weinhändler Wiesike mit seiner Familie Fontane, als dieser in Krummhübel kurte. Wie hier seine ersehnte Arbeitsatmosphäre unter­laufen wurde, schildert Fontane in einer Szene, die ebenso in einem Lust­spiel Aufnahme finden könnte. Fontane an seine Frau:»Von eigentlicher Einsamkeit ist hier keine Rede, Hunderte ziehen vorüber; heute kam Wein­händler Wiesike mit Familie, was etwas sagen will, denn er hat 12 Kinder, wird also wohl gegen Abend immer ein Glas Burgunder trinken. Von den 12 waren 7 mit hier, dazu Freunde und Freundinnen, alles in allem 20 Men­schen.« 16 Zehn Jahre vorher schrieb Fontane an seine Frau anlässlich des Weinhändlerbesuchs bei ihm in Berlin:»Vorgestern besuchten mich auch Weinhändler Wiesike und Frau. Wenn ich mir die letztre ansehe und dann ihn, so kann ich ein Staunen nicht unterdrücken, daß er noch so im Stande ist. Er ist offenbar von der zähen Sorte. Unser alter W.[iesike] und Minchen sind immer krank gewesen; ich will mal an ihn schreiben.« 17 Die vorgenannte Minchen hieß Wilhelmine Rolle und war Wiesikes Haushälterin. Nach dem Tod seiner Frau 1865 übernahm sie offensichtlich die Rolle der ›Madame de Maison‹ und galt als die Frau an der Seite Wiesi­kes. Fontane sprach immer sehr warm von ihr und es gab von ihm kein negatives Wort über diese Mesalliance; sie muss ein ungewöhnlicher Cha­rakter gewesen sein. Fontane und Wiesike errichteten ihr auf verschiedene Weise ein Denkmal. Fontanes Figur der Roswitha, die sich durch ihre un­erschütterliche Treue und Zugehörigkeit zu Effi Briest auszeichnet und sich immer mit dem ›gefühlt Richtigen‹ zu Wort meldet und ihrer Herrin bis zum frühen Tode die Treue hielt, hatte wahrscheinlich Wilhelmine Rolle zum Vorbild. Wiesike meißelte seine Dankbarkeit und Zuneigung in sein von ihm entworfenes und gebautes Familien-Grabmal.»Wilhelmine Rolle und ihren langjaehrigen treuen Diensten zum Gedaechtnis« prangt auf dem Obelisk mittig zwischen den Gräbern der Eheleute Wiesike. Das Grabmal und der ihn umgebende Park wurden von Wiesike ­gestaltet. Hier wurde Philosophie mit Lebensart verspleißt, wurden Weltanschauungen an einem Gedächtnisort sichtbar, wurde das Wiesi­kesche Freigut zum Homonym. Fontane berichtet deshalb über die Gestal­tungs­pläne Wiesikes, weil»auch diese Stätte bestimmt gewesen [sei], neben der Bestattung der Familie dem Kultus des Genius zu dienen, und statt ­›Hygiea und Psyche‹ hatten Hahnemann und Schopenhauer und des weiteren die Büsten von Äschylus, Bach und Kant den diese Stelle Besuchenden­ ­begrüßen sollen.« 18 Unter der marmornen Reliefplatte, die