Heft 
(2016) 101
Seite
50
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50 Fontane Blätter 101 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Hygiea und Psyche darstellte, brachte Wiesike noch einen antiken Vers als Verweis auf sein Menschenbild an: Mens sana in corpore sano. 19 Dem verstärkten homöopathischen Engagement entsprach Wiesikes alles hintanstellender Enthusiasmus. Dieser galt der Philosophie Scho­penhauers. Wie sein erstes Zusammentreffen mit Fontane im Jahre 1874 lernte Wiesike 1854, ebenfalls sechs Jahre vor dem Tod des Philosophen, Schopenhauer persönlich kennen. Vor seinem Besuch in Frankfurt wurde Wiesike laut Fontane von einem anderen, ebenso enthusiastischen Epigo­nen, dem Redakteur der Hauspostille Fontanes, der Vossischen Zeitung, in die Philosophie Schopenhauers eingeführt. Es war Ernst Otto Lindner, neben Julius Frauenstädt einer der ersten ›Evangelisten‹ Schopenhauers. Mit seiner Übersetzung und Veröffentlichung einer englischen Schopen­hauerrezension von 1853 in der Vossischen Zeitung begann Schopenhau­ers lang erwartete öffentliche Anerkennung, die er fünf Jahre später in einem Gespräch mit Friedrich Hebbel nur noch als»Komödie seines Ruhms« 20 ironisierte. Schopenhauer berichtet an seinen Verehrer und Apostel Frauenstädt über Wiesikes ersten Besuch:»Hat mich besucht Herr Wiesike, großer Gutsbesitzer bei Brandenburg, ist von Soden, wo er badete, 2 Mal, weil er mich nicht antraf, nach Frankfurt gekommen: sehr vernünftiger Mann.« 21 In den Augen Schopenhauers war jedoch nur der vernünftig, der sich sei­nem Werk widerspruchslos verschrieb und seinen Teil dazu beitrug, des Meisters Lehren zu verkünden, zumindest an der Verbreitung mitzuarbei­ten. Auf Lindner und Wiesike konnte Schopenhauer diesbezüglich blind vertrauen. Mit Wiesike hatte Schopenhauer außerdem ein Gegenüber, über dessen kaufmännische Erfolgsgeschichte und der Verwendung des Ertrags aus derselben ein Grundverständnis herrschte. Vermögen, sei es ererbt oder kaufmännisch erworben, bringt dem Besitzenden nur dann wahre Befriedigung, wenn es nicht nur dem Stillen materieller Bedürfnis­se, sondern wenn die damit verbundene Möglichkeit eines erwerbsfreien Lebens(»die Emanzipation vom allgemeinen Frondienst«) dazu dient, der Begünstigung des Schicksals durch Hervorbringung von Werken, die der Allgemeinheit dienen, seinen Tribut zu zollen. Er trachtet danach,»daß er leistet was kein anderer konnte und etwas hervorbringt, das[der Mensch­heit in] ihrer Gesamtheit zugute kommt, wohl auch gar ihr zur Ehre ge­reicht. Ein anderer nun wieder wird, in so bevorzugter Lage, sich durch philantropische Bestrebungen um die Menschheit verdient machen.« 22 In diesem Sinne ist Schopenhauers Bestimmung, dass das»Geld[] das ­absolut Gute« 23 sei und Fontanes Feststellung, dass Wiesike»ein leuchten­des Beispiel dafür, daß der Pessimismus nicht bloß ruiniere, sondern un­ter Umständen auch eine fördernde humanitäre Seite habe« 24 , zu verste­hen. Auch im Blick auf die immer wieder kolportierte vermeintliche ­›Mitleids-Ethik‹ Schopenhauers, gegen die sich der Philosoph schon zu