Heft 
(2016) 101
Seite
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»Ist mir aber ein Apostel!« Müller-Seyfarth 53 ordentlich ins Gebet genommen wurde, bis ihm endlich der Onkel sagte: Herr Dr. sie sind ein absolutes, relatives, negatives Nichts.« 32 Die Begeisterung, die Wiesike bei den jungen Schopenhaueranhängern auslöste, wurde noch verstärkt durch die Devotionalien, die der alte Herr vorweisen konnte und deren Präsentation einem sakralen Akt ähnelte. Das Ölporträt Schopenhauers von Lunteschütz, diverse Fotos des Meisters, Briefe und Originalmanuskripte und natürlich der Ehrenpokal, den Wiesike Schopenhauer 1858 zu dessen 70. Geburtstag schenkte und nach Schopenhauers Tod aus dem Nachlaß(von Schopenhauers Haushälterin) zurückerwarb er also den Silberkelch zweimal bezahlte. Carl von Gersdorf­beeindruckte zudem, wie später Fontane, die Wiesikesche Koinzidenz von Wein und Philosophie: »Er trat aus der Thüre, ein kleiner gedrungener, wie mit Keulen zusam­mengeschlagener Mann von 70 Jahren, mit einem Stiernacken auf dem ein schön geformter Kopf ruht mit einer geraden festen gewölbten Stirn und einem Paar durchdringender Augen.[] Dann führte er uns in sein Ar­beitszimmer und hier sah ich das herrliche Bild unseres Meisters, vor dem man Stunden lang stehen möchte, um in die klaren Augen zu sehen. Das ist Schopenhauer wie er wirklich ausgesehen hat. Eine göttliche Stirn die bis ins Unendliche zu gehen scheint, schönes weißes Haar sie einrahmend, un­ter weißen Augenbrauen dem Olympischen Zeus gleich, ein Paar Augen von einer Klarheit, Tiefe, von einem Glanz daß man sich geblendet fühlt und erst allmählich sich an diesen Blick gewöhnen kann um dann nicht wieder loszukommen. Der Mund ist breit hat aber einen freundlichen mil­den Ausdruck überlegener Geistesruhe, ohne daß die Fähigkeit, ihn zu gei­ßelnden bittern Spott zu verziehen zu verkennen wäre. In der rechten Hand hält er einen Kneifer, bereit dem ihm Gegenübertretenden bis ins Innerste zu schauen. Das Ganze ist nur Brustbild, der Kopf in schönen kräftigen Pinselstrichen und normalen Farben hell gehalten, während der dunkle Hintergrund und der eben so dunkle Rock eine treffliche Folie zu diesem Sonnenhaupt bildet. Hierauf holte der Onkel den ich der Kürze halber so nennen will, die Manuskripte hervor.[] Nachdem wir Kaffee getrunken hatte, ließ der Onkel den großen Silberpokal holen, den er einst 1858 sei­nem Freunde geschenkt später von dessen Haushälterin zurückgekauft hat. In dieses schöne Gefäß wurde eine Flasche duftenden Rheinweins ge­gossen und in gemüthlichem Kreise geleert. Dann holte(der) Onkel aus seinem Keller das Beste, eine Flasche 1857er Steinberger Cabinet, der auch aus dem Pokal getrunken werden mußte.[] Es ist erstaunlich, wie ein Mann ohne gelehrte Bildung im Alter von 50 Jahren, nachdem er sich an Hegel verochst, so gründlich in den Geist Schopenhauers einzudringen vermocht hat, es ist drollig anzuhören, wie er im Berlinischen Dialekt dis­cutirt, lateinische Wörter falsch braucht, und dennoch jedermann der nicht streng logisch verfährt, dermaßen abfertigt, daß er sich sobald mit