Heft 
(2016) 101
Seite
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»Ist mir aber ein Apostel!« Müller-Seyfarth 57 »Hochgeehrtester Herr& Meister, Ich hatte eben einmal wieder aus der reinen Quelle der Wahrheit wie sie so reich in Ihren Schriften sprudelt, einen herzhaften Zug gethan,& mich wie schon so oft erfrischt nach ande­rer trocken& langweilig dagegen erscheinender Lectüre, als der Postbote mir einen Quittungsschein zur Unterschrift, über eine Kiste aus Frank­furth(Werthstück) überbrachte. Meine erste Vermuthung fiel auf Weinpro­ben oder dergl. da ich nicht erst lange zuvor aus befreundeter Hand eine Kiste mit Weintrauben dortiger Gegend zum Präsent erhalten hatte, die aber auf der sechstägigen Reise richtig total verdorben waren,& meine Stimmung war eben nicht die günstigste. Aber welche Ueberraschung als ich Ihren lieben theilnehmenden Brief& das schöne Geschenk in Hän­den hatte. In der That mehr erfreut hat mich sobald kein Geschenk, welches aus solchen Händen mich zugleich so sehr ehrt. Meine Feder ist zu schwach um meinem Dankgefühl den entsprechenden Ausdruck zu geben und in­dem ich dadurch einen erneuerten Impuls empfange, noch mehr& tiefer in den Geist Ihrer Schriften einzudringen, kann die Dankverpflichtung sich nur mehren. Es bleibt also nichts übrig als Ihr Schuldner for ever.[] Meine Frau die sich sehr geschmeichelt fühlt von Ihnen erwähnt zu sein, läßt Ihnen ihren unterthänigsten Respect vermelden& meine Wenigkeit bittet um fernere freundliche Wohlgewogenheit der ich die Ehre habe in tiefinnigster Verehrung zu verharren Ihr treu ergebenster Dr. C. F. Wiesike. 42 Ergeben sich aus den bisherigen Ausführungen Konvergenzen zu Hahnemann Wiesike Schopenhauer? Schopenhauer hatte mit Hahne­manns Homöopathie nichts im Sinn. So sehr er naturwissenschaftliche Bestätigungen seiner Willensmetaphysik sammelte und für Argumentati­onen einbezog, gehörten neue Therapieformen nicht dazu. Allerdings gibt es aus der Schopenhauerschule das Angebot, der Homöopathie philoso­phisch zur Seite zu stehen. Der schon erwähnte Schopenhauerschüler und Jünger, Julius Bahnsen, war nach meinem Kenntnisstand der Einzige, der den Versuch unternahm, die Homöopathie auch philosophisch zu legiti­mieren. 1874 und 1875 veröffentlichte er zwei Beiträge, in denen er das»ne­gative Heilverfahren« mit»wissenschaftlicher Paradoxie« 43 versöhnen und durch seine in die Geschichte der Philosophie eingeführte Realdialektik begründen wollte. Sein 1880/81 erschienenes zweibändiges philosophi­sches Hauptwerk Der Widerspruch im Wissen und Wesen der Welt beinhal­tet ebenso ein Kapitel, in dem das homöopathische Princip realdialektisch grundiert wird. 44 Das Angebot Bahnsens an die Homöopathie besteht darin, dass er mit seinem»metaphysischen Willens prinzip« jenen»dynamischen Factor« be­sitzt, mit dem sich die Homöopathie von den»mechanisirenden Theorien der physiologischen Schule« 45 unterscheidet. Bahnsen, der noch Schopen­hauer persönlich kannte und sich unwidersprochen als sein»Fortführer