Heft 
(2016) 101
Seite
66
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66 Fontane Blätter 101 Rezensionen und Annotationen rückt mit»Theodor Fontane« eine»Kreuzungsfläche«(99) in den Blick, die mit ihren manifesten Gemeinsamkeiten auf ein zugrunde liegendes ›kol­lektives Imaginäre‹ verweist, dessen Verhältnis zum Realen wiederum eine Kreuzungsfläche bildet. In diesen Netzen voller ›wirrer Knoten‹ wird das, was»Fontane und seine Freunde« leisten, gesichtet, verglichen, ermessen und geborgen. Mit und neben»Theodor Fontane« zeichnet sich also eine global rele­vante»Theorie des Imaginären«(235) ab, zugleich seine Karrieregeschich­te(253), die in drei Schritten angegangen wird: mediengeschichtlich(Pho­tographie, Illustrierte, Museum), politisch und soziologisch. Und ›Fontane‹ erscheint nicht als jener eigentliche Schriftsteller, wie er zuletzt war(ge­mäß dem Motto zum dritten Buch von Hans-Heinrich Reuters Biographie, 1968), sondern erweist sich als Zeitgenosse jener»Sehgemeinde« der 1850er Jahre und ihrer»Gemeinsamkeiten«(236), deren Medium Kuglers Deutsches Kunstblatt ist. All das zeigt sich schon in seinen Balladen, und das wirkt sich bis zum Stechlin nachhaltig aus. Trilogie bzw. Rahmenkon­struktion(als Muster dient Menzels Heckmann-Diplom), Doppelbild, Gen­re(angehaltene Ausschnitte aus der Totalität des Alltags mit gefährlicher Vorgeschichte und doppeltem Sinnboden) und Allegorie(Bedeutungsges­ten und-posen) sowie Verdichtung(insbesondere Zeitkomprimierungen bis zu Simultanitätseffekten) heißen die Kategorien, nach denen Fontanes Anteil an der Moderne, ihren spezifischen Ängsten und ihren imaginären Leistungen ermessen wird. Von Graevenitz Studie besteht aus drei großen Teilen mit insgesamt sieben durchgezählten und in sich erneut untergliederten Kapiteln.»Bilder und Helden«, der erste Teil(45–181), setzt sich aus drei Kapiteln zusammen: »Teilungen und Kreuzungen«,»Doppelbilder der Moderne« und»Helden der Moderne«. Im dritten Kapitel z.B. wird gezeigt, wie durch Teilung und Kreuzung ›Helden‹, d.h. große Individuen der Vergangenheit und statis­tisch zählende ›Knirpse‹ der Moderne, entstehen bzw. auch wieder demon­tiert werden. Träger solcher Helden-Entwürfe sind Bilder und Texte, womit künstlerische wie wissenschaftliche ›Werke‹ von Menzel, Jacob Burck­hardt und Lazarus in den Vordergrund rücken. Zugleich ist es der Rahmen für Fontanes Meine Kinderjahre und Von Zwanzig bis Dreißig. Die autobio­graphischen Schriften führen dank der verschachtelnden Erzähltechnik vor Augen, wie ›Helden‹ hier als»Durchschnittsmenschen« und»Doppel­naturen« infolge geteilter Kreise und vielfältig entstehender Kreuzungs­punkte profiliert werden. Sichtbar wird, wie Fontane die Doppelung der Personen entweder als ›schwankenden‹ Charakter oder als Entwicklung darstellt. Das ergibt keine Verlegenheitslösung, sondern eine(Auto-)Bio­graphie neuen Zuschnitts:»Fontane hat sich nicht gescheut, nachdem er in all seinen anderen Werken, vor allem in den Romanen, die Anschaulichkeit zum obersten Prinzip gemacht hatte, sein autobiographisches Erzählen