Heft 
(2016) 101
Seite
70
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70 Fontane Blätter 101 Rezensionen und Annotationen (Bild-)Ordnung des Darstellbaren er sich aussetzt, wenn er sein Werk in einer ›illustrierten Familienzeitschrift‹ als Vorabdruck erscheinen lässt. So geht es um die»generelle Nähe von Fontanes Erzählen zu Prinzipien des Mediums(769 A 115), zum Beispiel um Entsprechungen zwischen der Rah­menkomposition der Fontaneschen Novelle und dem Layout der Gartenlau­be(etwas vorsichtiger ist dann von»ähnliche[n] Aufmerksamkeitsregeln« die Rede, die»die Kompositionsschemata einander so ähnlich machen«, 427). Dabei spielt die Ordnung der Blickrichtungen im Erzähleingang eine wichtige Rolle. Gezählt werden drei Blickrichtungen(428). Pointiert wer­den sie als horizontal-vertikal ›sich kreuzende‹. Tatsächlich aber gibt es mehr als nur drei Blickrichtungen, die ›senkrechte‹ auf das Buch auf dem Stehpult überzeugt als vertikale ebenso wenig wie der vermeintlich senk­rechte Blick auf die Sonnenspiegelung eines doch eher niedrige Dorfhaus­daches, und eine ›Kreuzung‹ findet nur dank der analytischen Projizierung eines textlichen Nacheinanders auf ein bildlich gleichzeitiges Übereinan­der statt(später wird eine Diagonale zur Senkrechten erklärt, 452). Das heißt: um des angenommenen Schematismus willen werden Sachverhalte des Textes gezielt ausgewählt, vereinfacht oder gar verzerrt;»genau rekon­struiert«(426) ist das nicht. Wie dem auch sei, die beobachtete Wiederkehr weiterer waagerechter und senkrechter ›Achsen‹ dient dazu, Fontanes Er­zählung»in das Wahrnehmungskontinuum der Zeitschrift und seine Rhythmen«(438) einzupassen. Hinzu kommt, dass in der Beziehung zwi­schen Abel Hradscheck und Frau Jeschke spiritistisch-mediale Vorstellun­gen erkennbar werden(die hier vereinten Akte des Sehens und Grabens greifen den Wechsel der Blickrichtung auf), also Blicke, Gedanken und Ängste, die den ›Aktivismus‹ des Imaginären unterstreichen, und hinsicht­lich der»Grenzobjekte«(445 nach Erhard Schüttpelz) zusätzliche Entspre­chungen zwischen zeitgenössischem Spiritismus, grenznahem Oderbruch­dorf und grenzwertigen Drucktechniken des Familienblatts(Lettern, Spalten, Reproduktionen) konturieren. Insgesamt lässt sich der Eindruck nicht restlos abweisen, dass hier Ka­tegorien den Vergleich lenken, die etwas allgemein gehalten sind(Dorf/ Dorfgeschichte, Blickrichtungen, Spiritismus/Medium/Spuk). Es hätte sich doch angeboten, wie im Fall des»Verschwiegenheits«-Bildes(421) konkre­ter zu bleiben und z.B. das Fechnersche Vroni-Porträt, mit dem der Vorab­druck beginnt(von Graevenitz identifiziert ein»Dorfmädchen«, 423 u.ö.) mit Fontanes ›Porträt‹ der Ursel Hradscheck zu vergleichen, um Entspre­chungen bzw. Gegensätze herauszuarbeiten. Die Figur hat ja in der jünge­ren Interpretationsgeschichte größere Aufmerksamkeit gefunden(vgl. ­Sagarra im Fontane Handbuch). Das aber unterbleibt. Dass schließlich die ›poetische Gerechtigkeit‹ am Ende für»Behaglichkeit« sorge(456), scheint mir das Verstörende des Textes zu unterschätzen.