Gerhart von Graevenitz: Theodor Fontane Aust 73 Spuren vom»Erlengehölz«, das im Anritt auf Kessin sichtbar wird, über die von der Trippelli gesungene Ritter Olaf-Ballade(statt des Erlkönigs) bis zu Effis spätem Klangeindruck(»feines Rieseln«) verfolgt werden. Die präfigurale Zuordnung überzeugt nicht unbedingt, aber es geht eher um das abstraktere Prinzip der Wiederholung, das gekoppelt mit dem Motiv des gespenstischen Widergängers Effis Angst erklären soll. Hans Vilmar Geppert hat vor mehr als zwanzig Jahren an einem Detail, Effis Zittern, gezeigt, was es heißt, von einem Leben auf»realistischem Weg« zu erzählen. Nun verweist von Graevenitz nochmals darauf, wie Duell und Ehezwang als Faktoren des Imaginären Gewalt erzeugen und eine Figur in Angst versetzen, die vornehmlich»nach vielen Bildern«(624) geformt ist. Mit abgewandeltem, aber erhaltenem doppelbödigen Film-Zitat(»Der diskrete Charme des Schrecklichen«) rückt schließlich Der Stechlin in den Blick. Einleitend wird auf ein»Aneinanderstoßen von Sinn und Unsinn« (647) in den Romangesprächen hingewiesen. Als vorbereitender Beleg dienen zwei Gespräche aus der Grafschaft Ruppin(»Das Dosse-Bruch« und »Neustadt a. D.«). Das Beispiel soll Fontanes»Mache« illustrieren. Das kann aber nicht ganz gelingen, denn das erste Gespräch(Friedrichs II.) ist ja ein Fromme-Zitat(die mediengeschichtliche Merkwürdigkeit, dass Fontane diesen Text wahrscheinlich in einer Zeitung, die als»Einpackebogen« diente, zufällig gefunden hat, bleibt unberücksichtigt), und um eine ›Mache des Zitierens‹ geht es auch gar nicht; das andere Gespräch soll ein leeres»Rauschen« exemplifizieren, könnte aber eine großartige ›Mache‹ sein. Inwiefern vielleicht beide Dialoge, des Königs wie der Wortwechsel im Coupé, zum»Entzückendste[n]« gehören,»was man lesen kann«(AFA Wanderungen I, 754), wird eigentlich nicht erwogen. Was das»große(n) Rauschen«(698) bzw. den scheinbaren»Unsinn«(685) betrifft, so wird an den folgenden Detailuntersuchungen im Gegenteil deutlich, wie viel ›Sinn‹, gerade auch ›schrecklicher‹, sich in jeder»Banalität« ›verpuppt‹(699). Das»leichte Schlusspathos«(656) des Schlusssatzes»implodiert« nach von Graevenitz»in der Groteske«(656), insofern das Leitmotiv der»drei Tage«, das schon in der Leichenrede für Schickedanz eine Rolle spielte, auch auf den»21. September«, den Ankunftstag des jungen Paares im Stechliner Schloss, bezogen wird und somit eine groteske Wiederholung darstelle. Als»Bilderroman« präsentiere Der Stechlin die an»Bildern festgemachte[n] Phantasmen«(663); oft ergäben sich»Doppelbilder«, wie etwa die Korrespondenz zwischen dem Drachen im Titelbild der Zeitschrift, in der der Romanvorabdruck erschien, und dem von Dubslav erwähnten Böcklinschen»Lindwurm«-Bild. Erneut werden»Strukturelemente des Nach-Bruegelschen Genres«(668) identifiziert. So ergibt sich eine»Ordnung des komplexen, auch komplizierten Textes des Gesprächsund Bilderromans«(682); später bevorzugt von Graevenitz doch wieder den»Knäuel«-Begriff und sieht ›von oben‹ eher ein»Zeitknäuel ohne
Heft
(2016) 101
Seite
73
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