Heft 
(2016) 101
Seite
80
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80 Fontane Blätter 101 Vermischtes Toasts produzierenden gesellschaftlichen Mühle; er stellte sie zuverlässig und auf manchmal hohem, immer aber achtbarem Niveau her, und nie hat sich jemand über die Qualität seiner Produkte beschwert. Ein Toast, so heißt es in der 1893, im Veröffentlichungsjahr von Frau Jenny Treibel, erschienenen 17. Auflage von Heyses Fremdwörterbuch, ist »ein Trinkspruch, eine Tischrede beim Gesundheittrinken(angeblich von dem ehemal. Gebrauch in England, daß wer bei einer Mahlzeit eine Ge­sundheit ausbrachte, ein Stück geröstetes Brot in seinen Becher that, den­selben dann die Reihe herumgehen ließ, u. wenn der Becher zu ihm zurück­kehrte, den Rest austrank u. das geröstete Brot)«. 4 Diese Worterklärung dürfte Fontane vertraut gewesen sein; schließlich findet sie sich auch in den zeitgenössischen Auflagen von Meyers Konversationslexikon. Es ist freilich bezeichnend für Fontanes Konventionssensibilität und damit für seinen Sinn für rhetorische Angemessenheit, dass er in den zahlreichen lyrischen Toasts, die von ihm überliefert sind, von keiner der beiden Komponenten dieser Worterklärung rednerisch Gebrauch gemacht hat: also weder von der auf die fußlosen Trinkhörner zurückgehenden Sitte, das Trinkgeschirr vom einen zum andern wandern zu lassen, noch von dem das Ritual ab­schließenden Verzehr der Broteinlage; das eine wie das andere war sozial und damit rhetorisch ausgeschlossen, weil es gegen die Hygienebedürfnis­se und die mit ihnen verbundenen Ekelbarrieren des 19. Jahrhunderts ver­stoßen hätte. So signalisierte das Wort Toast in Fontanes Jahrhundert au­ßer seiner Affinität zum Kulinarischen vor allem eine auf simulierter Improvisation gegründete Distanz zur Förmlichkeit der offiziellen Rede und einen für Adel und Bürgertum in gleicher Weise verbindlichen An­spruch auf Eleganz der Rede sowohl im Inhalt als auch im Vortrag. Ebenso wenig wie die Erklärung des Worts Toast hat Fontane die rei­che Kulturgeschichte des Gesundheittrinkens beschäftigt, in deren Tradi­tion das Ritual des Toasts stand und die immerhin bis auf die altgriechi­sche Philotesie, bei der jeder auf das Wohl seines Nachbarn trank, und allerhand germanische und mittelalterliche Willkommens-, Ehren-, Rund­und Freundschaftstrunke zurückreichte Traditionslinien, die Fontane auch wohl deshalb nicht in seinen Toasts aufscheinen ließ, weil sie Anklän­ge an den studentischen Komment hätten hervorrufen können, die er auf jeden Fall zu vermeiden suchte. All dies zeigt, dass der Toast für Fontane eine ganz auf den Augenblick bezogene Redeform war, die schwerelos­elegant auch deshalb sein konnte, weil sie sich nicht mit Traditionen und gelehrten Anspielungen belastete. Ihrem strikten Bezug auf den Augen­blick der Rede, ihrer Anlassgebundenheit und dem damit verbundenen Im­provisationscharakter ist es auch geschuldet, dass Fontane nie im Ernst über eine Veröffentlichung der zahllosen Toasts, die er im Lauf seines Le­bens zusammenreimte, nachgedacht hat. Dies war für ihn Gebrauchspoe­sie, die sich mit dem Augenblick des Vortrags verbraucht hatte.