Heft 
(2016) 101
Seite
83
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Theodor Fontanes Kunst des Toasts  Osterkamp 83 übernommen hatte, gerade dies ihn aber nicht habe ruhen lassen und er, um sich zu revanchieren, deshalb»in 10 Minuten« einen immerhin sieben Strophen umfassenden(übrigens nur mäßig witzigen) Toast auf Eggers ge­schrieben habe, von dem er nun bescheiden sagt:»Er gefiel sehr«. Dann fährt er fort:»Es kamen wenigstens 12 Toaste, alle auf Friede, zum Vor­schein und einer fand soviel Beifall wie der andre. Nur der alte Kenner Lepel zwinkerte mir zu als wenn er sagen wollte: Fontane, alles Kaff gegen Deinen.« 11 Der Brief zeigt, dass Fontanes lyrischen Toasts neben ihrer sozialen Funktion, die Kultur der Geselligkeit in literarischen Gesellschaften deren Ritualen gemäß zur Entfaltung zu bringen und sie in exklusiven Freundes­kreisen auszubilden, für den Autor selbst, der als Dichter ja immer noch nicht über eine große öffentliche Sichtbarkeit verfügte, die Aufgabe zu­kam, im poetischen Wettbewerb sein dichterisches Können, ja seine Virtu­osität unter Beweis zu stellen; wo dieses Motiv fortfiel, blieben Fontanes Toasts merkwürdig matt. Sie sind zunächst und vor allem Produkte der li­terarischen Geselligkeit und tragen deshalb den Charakter eines Spiels, dessen Regeln allen Beteiligten vertraut sind; hieraus erklärt sich auch der autoreferentielle Charakter dieser gedichteten Toasts, ihre paradoxe Nei­gung, sich selbst wichtiger zu nehmen als den Anlass oder den Adressaten, den sie feiern. Sie sind für diejenigen gedacht, die den exklusiven Kreis der Mitspieler bilden und unter sich die besten Spieler ermitteln. Gewiss die­nen sie auch der poetischen Überhöhung des gegebenen Anlasses und der Feier des jeweils Angetoasteten, aber sie tun dies doch immer zugleich auf ironische Weise, weil allen Beteiligten bewusst ist, dass der jeweilige An­lass dem Toastenden vor allem die willkommene Möglichkeit eröffnet, sei­ne poetische Professionalität und seinen Witz unter Beweis zu stellen. Da­bei besteht die dichterische Herausforderung für den toastenden Mitspieler vor allem darin, dass dem Redner wie allen anderen Anwesenden klar be­wusst ist, dass der stoffliche Reiz seines Themas, wenn es ihn denn je gege­ben haben sollte, schon längst verbraucht war, bevor der Dichter überhaupt zur Feder greift. Denn wer um ein Beispiel zu geben schon sieben Toasts auf Franz Kugler gedichtet hat, wird im achten nichts Neues über ihn zu sagen wissen. Deshalb verlagert sich alles Interesse vom Was des Inhalts auf das Wie der Form; so gibt gerade der Mangel an stofflicher Substanz dem Dichter die Möglichkeit, seinen Einfallsreichtum und seinen Witz un­ter Beweis zu stellen. Und so tritt denn Fontane selbst als Dichter des am 19. Januar 1855 vorgetragenen Toasts auf Franz Kugler im eigenen Text auf und spricht dies: []»Komm Weib, versäume dich nicht Mit Wirtschaft und häuslichen Lasten, Ich hab es geschworen, zum siebenten Mal Den Kugler anzutoasten.