Heft 
(2016) 101
Seite
92
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92 Fontane Blätter 101 Vermischtes ­»Toast-Ausbringer« 29 Dr. Bie bringt ihn bei der abendlichen Tafel in Schloss Frederiksborg, bei der sich das erotische Spiel zwischen dem Grafen Holk und der verführerischen Ebba von Rosenberg entfaltet, auf Ebba und auf das»schwedische Brudervolk« aus:»Wo das Eis beginnt, da hat das Herz seine höchste Flamme. Hoch Nordland und hoch seine schöne, seine muthi­ge Tochter!« 30 Danach steigt die Stimmung aufs höchste, dann löst die Ge­sellschaft sich auf und sofort entfaltet, wie immer bei Fontanes Toasts, die Handlung ihr zerstörerisches Potential, diesmal aus der Ambivalenz der Worte:»Wo das Eis beginnt, da hat das Herz seine höchste Flamme.« Ei­nerseits verbringt Holk nun eine Schäferstunde mit Ebba, andererseits geht parallel dazu das Schloss in Flammen auf, so dass das Paar nur müh­sam gerettet werden kann mit all den Irrtümern und Fehleinschätzungen in der Konsequenz, die dies für Holk und sein prekäres Verhältnis zu Ebba hat. Dass nach allem, was dann geschieht, das eheliche Glück Holks»un­wiederbringlich« verloren bleiben muss, erweist sich sofort nach der kirch­lichen Erneuerung der Ehe Christines und Holks an der Kraftlosigkeit des Toasts bei der»hochzeitlichen Tafel«, 31 der im Grunde kein Toast mehr ist und auch nur deshalb gesprochen wird, weil es die Konvention so verlangt: »als der Augenblick nun gekommen war, wo, wenn nicht ein Toast, so doch ein kurzes Festeswort gesprochen werden mußte, erhob sich Arne von sei­nem Platz und sagte, während er sich gegen Schwester und Schwager ver­neigte: ›Auf das Glück von Holkenäs.«»Beinah schwermüthig« hätten, so fährt Fontane fort, diese Worte geklungen, und so habe auch keine»rechte Freude« aufkommen können. 32 Wieder entfaltet ein Fontanescher Toast, der das Glücksversprechen an die Erfüllung der Konvention zu binden ver­sucht, seine dialektische Wirkung: Der Glückwunsch erweist sich sehr rasch als eine Todesverkündigung für Christine. Individuelles Glücksver­langen und gesellschaftliche Konvention lassen sich in Fontanes Romanen, anders als deren Toasts es versprechen, nicht mehr zum Ausgleich brin­gen: unwiederbringlich. So lernt man sie denn fürchten, die Fontaneschen Toasts. Und deshalb wird auch, wer einmal auf die in Fontanes Romanen narrativ entfaltete Dialektik des Toasts aufmerksam geworden ist, dazu neigen, bereits aus dem bei Effis Verlöbnis vom»jovialen Brautvater« auf das Paar, das nicht die Liebe, sondern die Konvention zusammengeführt hat, gesprochenen Toast schon deshalb eine Todesverkündigung herauszuhören, weil er»das junge Paar leben lassen« will. 33 So will es einem derart sensibilisierten Le­ser auch nicht als Zufall erscheinen, dass er im Roman nichts darüber er­fährt, ob bei dessen Hochzeit Toasts auf das Brautpaar ausgebracht wor­den sind; zwar berichtet der Erzähler von manchen albernen Ritualen am Polterabend und vor allem davon, dass Briest in»höchster Champagner­stimmung« allerlei»Zweideutigkeiten« von sich gegeben habe, 34 er verliert aber kein Wort darüber, ob am Polterabend oder beim Hochzeitsmahl sich