Theodor Fontane und Der Monatsgast Wolpert 61 Nur auf den Setzer? Auf den Herausgeber der Zeitschrift? Oder auf Dr. Böhm, den Verfasser der achten Strophe? Und wer ist dieser Herr? Waren vielleicht sogar er und der Militärgeistliche Wilhelmi für Fontane – möglicherweise über dessen Kontakte in der Redaktion der Kreuzzeitung – keine ganz Unbekannten? Auch wenn keiner von beiden in Fontanes Briefen oder Tagebüchern, welch letztere allerdings für das Jahr 1865 fehlen, 12 genannt wird. Im November des Jahres 1878 schreibt der freie Schriftsteller Theodor Fontane nach der Publikation des Romans Vor dem Sturm an seinen Verleger Wilhelm Hertz:»Das Buch ist der Ausdruck einer bestimmten Weltund Lebens-Anschauung; es tritt ein für Religion, Sitte, Vaterland, aber es ist voll Haß gegen die ›blaue Kornblume‹ und gegen ›Mit Gott für König und Vaterland‹, will sagen gegen die Phrasenhaftigkeit und die Carikatur jener Dreiheit.« 13 Welcher der beiden hier angesprochenen Seiten hätte wohl – dreizehn Jahre früher und falls ihm die Zeitschrift begegnet wäre – der Mitarbeiter der Kreuzzeitung Theodor Fontane den Monatsgast zugeordnet, nachdem das erste Heft erschienen war? Dem Eintreten»für Religion, Sitte, Vaterland« oder der»Phrasenhaftigkeit« und der»Carikatur jener Dreiheit«, die sich für ihn in der blauen Kornblume und»Mit Gott für König und Vaterland« – der Parole, die auf dem Heftumschlag des Monatsgast gleich zweimal auftaucht – ausdrückt? Wie also sieht der Kontext aus, in welchen Fontanes Gedicht hier aufgenommen wurde? Sechs Rubriken gliedern die Zeitschrift. In dem programmatischen Prolog, 14 in»Des Monatsgastes erstes Wort an seine Leser« 15 , stellt sich der Monatsgast personifiziert als»ein Fremdling« vor, der»nicht an die leicht geöffneten Thüren der Bierstuben, der Gasthäuser und der Leihbibliotheken« anklopft, sondern in»Casernen, Wachtstuben und Lazarethen« um Herberge ersucht.(S. 3) Und zwar als einer, dem diese»keine fremden, sondern im Gegentheil sehr bekannte und vertraute Stätten« sind, da er»nun schon fast zwölf Jahre hindurch mit seiner Berufsarbeit mitten in den Reihen unserers vaterländischen Kriegsheeres gestanden hat und noch steht« und in dieser Zeit»in manches Soldatenherz vielleicht tiefer als manch Anderer hineingeschaut« habe.(S. 4) Er möchte aufmuntern, trösten, erheitern,»die bösen Heimwehgedanken vertreiben«, mahnen, warnen und als »ein treuer Freund« auch mit»ernstem und freundlichen Wort« zurechtweisen.(S. 5) Dies alles soll ganz in einem christlichen und spürbar seelsorgerlichen Geist geschehen.(S. 6) Es folgt eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob überhaupt und wie»Christenthum und Soldatenthum« zusammen passen, und zwar unter biblischen, anthropologischen und ethischen Gesichtspunkten, begleitet schließlich von der Versicherung, der Monatsgast wolle keinesfalls»nur zur ›Erbauung‹, sondern auch zur ›Belehrung‹ und ›Unterhaltung‹ seiner Leser« beitragen.(S. 6–10)
Heft
(2016) 102
Seite
61
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