Dankesrede Bierbichler 129 Dankesrede zur Verleihung des Fontane-Preises der Stadt Neuruppin am 12. Mai 2016 Josef Bierbichler Nachdem ich Nachricht erhalten hatte, dass Neuruppin mir einen Preis verleihen will, der den Namen Fontane trägt, habe ich auf meinem Kleincomputer eine Seite für die Dankesrede eingerichtet und sie mit Fontane überschrieben. Ich würde auf keinen Fall über Fontane sprechen wollen. Ich kannte zu wenig von Fontane. Was ich kannte, hatte ich zu Schulzeiten zwangsgelesen und wieder vergessen. Diesen Mangel in drei Monaten auszugleichen, gestand ich mir nicht zu. Um sich kulturelle Werte anzueignen, soll man sie nach ihrer Aufnahme einsickern lassen und ihnen Zeit geben, sich abzulagern, um sich ihrer irgendwann als allgemeines Kulturgut bedienen zu können. So hat es in meiner Schulzeit ein Deutschlehrer empfohlen. Man kennt das von Versteinerungen. Ohne einen solchen Wertschöpfungsprozess, den die Zeit vornimmt, wäre eine Versteinerung nur ein totes Tier. Nach einigen Tage habe ich auf dem noch leeren elektronischen Blatt auf meinem Computer, das bereits die Überschrift Fontane trug, versehentlich selbstverfasste Dialoge zwischengelagert, die ich später ausdrucken wollte. Es waren Dialoge aus dem Drehbuch zur Verfilmung meines Romans. Ich selbst werde in dem Film auch eine Rolle spielen und hatte mir vorgenommen, die mir zugedachten Dialoge schon mal anzulernen, um bei den Dreharbeiten nicht durch Unkenntnis der eigenen Texte aufzufallen. Bald standen auf mehreren Seiten unter der Überschrift Fontane meine Dialoge. Abwechselnd lernte ich meine Texte auswendig und las in Effi Briest und in Irrungen, Wirrungen. Mal in dem einen, mal im anderen Buch. Ich wollte mich Fontane zumindest angenähert haben, um bei der Preisverleihung nicht durch eine komplette Unkenntnis der Werke des Namensgebers des mir zugedachten Preises aufzufallen... und nach und nach merkte ich, dass ich zwar abwechselnd jeweils mein Manuskript und dann wieder zwei Romane von Fontane, aber fast ausschließlich Dialoge in Händen hielt.
Heft
(2016) 102
Seite
129
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