Fontane und Emil Frommel Ester 47 Die Wertschätzung der Pfarrer, die zwecks einer Autobiographie oder aus Erzählfreude zur Feder gegriffen hatten, kommt bei Fontane unter anderem in der Funktion der real existierenden Pfarrer in seinen Romanen zum Ausdruck. Ein Beispiel ist Karl Büchsel, den Fontane sehr schätzte wegen dessen Erinnerungen aus dem Leben eines Landgeistlichen. Im Roman Irrungen, Wirrungen erzählt Frau Dörr über ihre Heirat. Sie ist stolz darauf, dass Pfarrer Büchsel sie getraut habe. Um dem Gerede der Leute über ihr früheres Verhältnis mit einem Adligen den Weg abzuschneiden, sei sie mit Dörr»›in die Kirche gefahren‹«. Und fortfahrend sagt sie:»›Ja, in die Kirche, in die Matthäikirche un bei Büchseln.‹« 3 Gerade der Zusatz über Pfarrer Büchsel unterstreicht den gesellschaftlichen Rang dieser Trauung und das Renommee dieses Geistlichen. Fontanes Romanaussagen über Geistliche sind der Schlüssel zu seinen Gedanken über Glauben und Kirche. Der Weg zu Fontanes Religiosität führt über die vielen, oft sehr individuellen Pfarrer in seinem Werk. Das Auftreten bestimmter Pfarrer, die in der Geschichte Preußens eine Rolle gespielt haben, in den Romanen Fontanes ist eine Art Tribut, den Fontane ihnen zollt. Es geht um Wertschätzung und Anerkennung. Es geht dabei auch um die passende Aufmerksamkeit für einen Eckstein der preußischen Gesellschaft. Ohne Pfarrer ist Preußen nicht gut darstellbar. Im Falle Emil Frommel tut sich etwas ganz Besonderes dar. In seinem Band Nachtschmetterlinge(1895) mit dem für heutige Ohren etwas missverständlichen Titel erzählt Frommel über Menschen, denen er begegnet ist und über Reisen, die er gemacht hat. Fontane muss dieses Buch mit Vergnügen gelesen haben. Sein besonderes Interesse wurde vom ersten Kapitel angeregt:»Erinnerungen an Kaiser Wilhelm I. und Gastein«. Eine Anekdote reiht sich in diesem Bericht über Bad Gastein an die andere. Nach wie vor sind es köstliche Darstellungen, die mehr als Beteuerungen klar machen, dass Fontane hier einen ebenbürtigen Kollegen gefunden hatte. Die Gespräche mit dem Kaiser sind reizvoll, da sie den Kaiser sprechend einführen und seine Milde mittels seiner Reaktionen auf Frommels Erzählungen fühlen lassen. Zu den Anekdoten Frommels gehört die Darstellung, die er dem Kaiser und vermutlich dem Kammerdiener verdankte:»Auch das ›Badeschloß‹ war damals noch kein Hotel, es wohnten aber andere Kurgäste noch mit dem Kaiser zugleich in demselben. Das war auch die Ursache zur nachfolgenden Geschichte, die so ganz den herzgewinnenden Sinn des hohen Herrn bezeichnet. Es lag unten ein kranker Badegast im Erdgeschoß. Es gab Tage in Gastein, wo es mit Kübeln goß, so daß an ein Ausgehen nicht zu denken war. Und doch sollte der hohe Herr sich Bewegung machen. Er benutzte darum die ganze Flucht von Zimmern, um auf- und abzugehen. Als der Kammerdiener den Kaiser nicht mehr promeniren hörte, ging er hinein, um etwas zu bringen. Aber welch Bild entrollte sich ihm! Der
Heft
(2015) 100
Seite
47
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten