112 Fontane Blätter 100 Vermischtes »[…] ein Stück Doktor« 1 und»›geschätzter Dichter‹ beim Pillendrehen« 2 . Theodor Fontane auf medizinisch-pharmazeutischem Terrain. Ein Vortrag Roland Berbig 1 Das Terrain ist vermint. Oder, treffender formuliert: Theodor Fontane jedenfalls hat einiges getan, wenigstens ein paar Tretminen auszulegen. Tretminen, die ihm Schutz sein sollten. Worüber zu reden sein wird, redete Fontane, ansonsten Causeur von Gottes Gnaden, ungern. Es rührt an biographische Punkte, an denen er sich verletzlich zeigte und verletzlich war. Er, der zu reden verstand, hätte es gerne beschwiegen. Liebend gerne wäre ihm geheim geblieben, was die Nachwelt aufs Unbekümmertste, nachgerade prunkend aufgegriffen hat. Das klingt dunkel, es raunt und verlangt nach Deutlichkeit. Erteilen wir, um ein wenig Helligkeit in die Sache zu bringen, Fontane selbst das Wort. Am 18. April 1850 griff sich Fontane die Schreibfeder, um Gustav Schwab, Dichter und Redakteur des Cottaschen Morgenblattes, auf dessen Brief zu antworten: der hatte mit dem entschuldigenden Satz»Ich kenne Ihre Titel nicht« geendet und brauchte eine bündige Antwort – Fontane gab sie in Gestalt eines beruflichen Selbstportraits: »Ich bin 30 Jahre alt, im märkischen Sande geboren, an der Ostsee großgezogen, und meines Standes – Apotheker. Warum ich das bin? Mein Vater sprach: ›car tel est notre plaisir[Denn so gefällt es uns wohl]‹; zudem war er selbst Apotheker; ein anderer Grund liegt nicht vor. Mit 16 Jahren trat ich in die Lehre ein, mein Lehrherr war human;[…] Zwanzig Jahr alt kam ich nach Leipzig. Mit jener nur der Jugend eigenen Unverwüstlichkeit, setzte ich es durch, bei Tage Geschäftsmann, bei Nacht ein Mittelding von Student und Literat zu sein.[…] Wiedereintreten in eine eben aufgegebene Stellung, das ließ ein verzeihlicher Dünkel nicht zu; was war zu thun? Ich beschloß Medicin zu studiren, kehrte ins elterliche Haus zurück, und saß, zu Absolvirung des Abiturienten-Examens, emsig über Cicero und Tacitus, Mathematik und Algebra,[…]. Wohl möglich, daß jetzt bereits ›Doctor, praktischer Arzt und Geburtshelfer‹ an meinem Klingelschilde stünde, wenn mich nicht das
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(2015) 100
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112
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