Heft 
(2015) 100
Seite
113
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Fontane auf medizinischem Terrain  Berbig 113 ­Gesetz allgemeiner Wehrpflichtigkeit beim Schopfe genommen und in ein Garde-Regiment gesteckt hätte. Diese Unterbrechung meiner Studien ent­schied über mein Studium überhaupt. Ich gab alles weitre Ankämpfen ge­gen mein Schicksal auf, und beschloß reumüthig in die Arme der edlen Apothekerkunst zurückzukehren.[] Doch ich werde zu breit; fass ich die letzten 5 Jahre kurz zusammen. Ich habe sie mit Rezept- und Versemachen ehrlich hingebracht.[] Der Hoch­muth ist jetzt ferne von mir, über den Apotheker hinauszuwollen. Aber es geht auch damit nicht: meine Vermögenslosigkeit macht mir den Ankauf einer Apotheke unmöglich;[]« 3 . Hier wurden Lebensfäden gezupft, verknäult und wieder auseinander gezogen und eins nur verrät der erste Blick: der hier Lebensgeschichtli­ches referiert, hat seine Nase tief in die medizinische oder doch pharma­zeutische Welt gesteckt. Da ist die Rede von einer Apotheker-Existenz, vom Vater mit auf den Weg gegeben, da ist die Rede von einem fehlenden Abi­tur, dessen Nachholen die Wehrpflicht vereitelte, und da ist der Redlich­keitsgestus, der den Beschluss,»Medicin zu studiren«, ad acta legt, aber die Vision eines stattlichen Klingelschildes mit noch stattlicheren Titeln im einst Möglichen belässt. Da weiß einer, Apotheker, das wäre nicht viel ge­wesen, aber der beruflichen Bescheidenheit genug. Wir schreiben das Jahr 1850, Fontane hatte keinen Stößel in der Hand, sondern eine Presse-zer­zauste Feder, vor ihm kein Mortarium(Mörser), sondern ein Tintenfass, und statt einer Rezeptur zu folgen, leistete er Folge, was ihm sein Dienst­herr im Literarischen Cabinett auftrug. Über seine lückenhaften Bildungs­stationen flog er gewandt dahin, zu seinem vormaligen Stand als Apotheker bekannte er sich und deutete gleich an, dass er um dessen sozialen Status wohl im Bilde sei. Als er 1856 in London zur weihnachtlichen Bescherung nicht in die Preußische Gesandtschaft geladen wurde, lag Fontane,­dahin­gehend tief misstrauisch, die Ursache auf der Hand: »Herr Alberts weiß, daß ich Apotheker gewesen bin, und durch ihn der Gesandte auch. Das wird nie vergessen. Anstatt zu sagen: ›Tausendwetter, der Mensch muß notwendig Talent haben, weil er Apotheker war, 14 lange Jahre,[], statt dessen heißt es: ›Er kann unmöglich was Reelles leisten, denn er ist ja eigentlich nur ein Apotheker.« 4 Wozu sich Fontane 1850 noch bekennen musste, das sollte ihm in späte­ren Lebensabrissen zu ganz anderen Formeln gerinnen. Kostproben: Den Apotheker ließ Fontane eine Zeitlang ›mitgehen‹, immer als Vorstufe zum eigentlichen Geschäft des Schreibens, 1862 floss ihm schon sein Vorhaben, »Naturwissenschaften, besonders Chemie, zu studieren« 5 , aufs Papier, im Lebenslauf für den französischen Kriegsminister 1870 sprach er ebenfalls von»étudia de lhistoire de nature«[»studierte Naturwissenschaften«] 6 , in einer kleinen autobiographischen Skizze 1874 glomm in ganz gleichem Sin­ne die»Vorliebe« für Chemie auf samt Absicht,»meine Zukunft auf dem