Heft 
(2015) 100
Seite
135
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Bothos Dienstverhältnis  Kleine 135 Im 23. Kapitel des Romans kommt es zu Bothos Begegnung mit den beiden Rexins von den Moabiter Ulanen und zu dem aufschlussreichen ­Gespräch mit Bozel v. Rexin, worin sich Botho endgültig von der»Affäre« mit Lene lossagt. Wiederum bedient sich Fontane einer Wegbeschreibung, um den Raum der Handlung zu kennzeichnen, ohne ihn direkt zu benennen. Bothos Programm »[] ging dahin, dass er bis Mittag auf dem Eskadronhofe bleiben, dann ein paar Stunden reiten und nach dem Ritt im Klub essen wollte. Wenn er niemand anders dort traf, so traf er doch Balafré, was gleichbe­deutend war mit Whist en deux und einer Fülle von Hofgeschichten, wah­ren und unwahren. Denn Balafré, so zuverlässig er war, legte doch grund­sätzlich eine Stunde des Tags für Humbug und Aufschneidereien an. Ja, diese Beschäftigung stand ihm, nach Art eines geistigen Sports, unter sei­nen Vergnügungen obenan. Und wie das Programm war, so wurd es[] ausgeführt. Die Hofuhr in der Kaserne schlug eben 12, als er sich in den Sattel hob und nach Passirung erst der ›Linden‹ und gleich danach der Lu­isenstraße, schließlich in einen neben dem Kanal[dem Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal] hinlaufenden Weg einbog, der weiter hin seine Rich­tung auf Plötzensee zu nahm.« 18 Diese Orientierungspunkte weisen allesamt auf Orte in der Mitte Ber­lins und nordwestwärts davon hin. Zudem lässt die Bezeichnung»Eskad­ronhof« die räumliche Enge durchblicken, unter der die Unterbringung der zwei Kompanien samt Pferden im»Akademieblock« sicherlich gelitten hat. Der»Dienst« Um von Botho von Rienäckers»Dienst in der Kaserne« eine etwas genauere Vorstellung zu gewinnen, sei mir ein kleiner Exkurs in die Militärge­schichte erlaubt. Bekanntlich gehörte die Reiterei neben den Fußtruppen zu den ältesten Kriegerformationen. Ihrer Schnelligkeit, Wendigkeit, vari­ablen Verwendbarkeit wegen widmeten ihr Herrscher und Heerführer al­ler Zeiten viel Augenmerk. Bis ins 19. Jahrhundert hinein war die Wucht ihres Angriffs oft für den Ausgang einer Schlacht, eines Feldzugs, eines ganzen Krieges entscheidend. Die brandenburgisch-preußische Kavallerie errang im 17./ 18. Jahrhundert ihre spektakulärsten Erfolge. Auch bei we­niger Kriegsglück bewies sie Können und große Kühnheit. Darauf gründe­te sich ihr Ruhm. Aus triftigem Grund hat der junge Fontane in mitreißen­den Balladen legendäre Reiterführer wie Derfflinger, von Seydlitz, Joachim Hans von Ziethen besungen und noch 1880 in den Vaterländischen Reiter­bildern aus drei Jahrhunderten Preußens Kavallerie gepriesen.