Heft 
(2015) 100
Seite
137
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Bothos Dienstverhältnis  Kleine 137 Mit dem Anbruch des Industriezeitalters begann der Stern der berittenen Truppen zu sinken: Dampfmaschinen, bald auch Gas- und Elektromotoren übertrafen die Pferdestärken um ein Vielfaches und verdrängten sie un­aufhaltsam. Die größere Dichte, Genauigkeit, Weite und Wirkung des Ge­wehr- und des Artilleriefeuers machten Pferd und Reiter verwundbarer als je zuvor. Schon in den Reichseinigungskriegen konnte die Kavallerie nur noch gelegentlich entscheidend in den Verlauf einer Schlacht eingreifen, so in den berühmten Attacken von Vionville und Mars la Tour im August 1870. Doch auch dies gelang nur um den Preis schrecklicher Verluste: »Mars la Tour« stand fortan auch für den»Todesritt der Brigade Bredow«: Im Feuerhagel der(den preußischen Schusswaffen überlegenen) französi­schen Mitrailleusen und Chassepot-Gewehre verlor sie an einem Tag rund 60% ihres Personalbestandes. Trotz dieses Wandels konnte die Kavallerie ihr Ansehen noch lange be­wahren. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wuchsen ihr Anteil und ihre Spitzenstellung in den Heeren sogar noch an. Dafür sorgten besonders im deutschen Kaiserreich ihre Nähe zur Krone und die enge Verflechtung von Generalität und Offizierskorps mit der adligen Oberschicht der Gesell­schaft. Ganz besonders galt dies für die berittene Garde: Noch 1913 gab es im Regiment Garde du Corps außer fünf Ärzten und Veterinären keinen Offizier bürgerlicher Herkunft. Alle 34 Stellen waren mit Adligen besetzt, davon 20 mit Prinzen, Fürsten und Grafen. Fontane sah dies in Briefen der 1890er Jahre skeptisch. In seinem letzten großen Roman legte er dem Hauptmann Czako vom Kaiser Alexander Garde-Grenadierregiment Nr. 1 im Gespräch mit Ministerialassessor Rex die Worte in den Mund, »[] dass die feinen Regimenter immer feiner werden. Kucken Sie sich mal die alten Ranglisten an, das heißt wirklich alte, voriges Jahrhundert und dann bis Anno sechs. Da finden Sie bei Regiment Garde du Corps oder bei Regiment Gensdarmes unsere guten alten Namen: Marwitz, Wakenitz, Kracht, Löschebrand, Bredow, Rochow, höchstens dass sich mal ein höher betitelter schlesischer mit hinein verirrt. Natürlich gab es auch Prinzen damals, aber der Adel gab den Ton an, und die paar Prinzen mussten noch froh sein, wenn sie nicht störten. Damit ist es nun aber, seit wir Kaiser und Reich sind, total vorbei. Natürlich sprech ich nicht von der Provinz, nicht von Litauen und Masu­ren, sondern von der Garde, von den Regimentern unter den Augen Seiner Majestät. Und nun gar erst diese Gardedragoner! Die waren immer pik. Aber seit sie, pour combler le bonheur, auch ›Königin von Großbritannien und Irland‹ sind, wird es immer mehr davon, und je piker sie werden, desto mehr Prinzen kommen hinein, von denen übrigens jetzt schon mehr da sind, als es so obenhin aussieht; denn manche sind eigentlich welche und dürfen es bloß nicht sagen. Und wenn man dann noch die alten mitrechnet, die bloß à la suite stehn, aber doch immer noch mit dabei sind, wenn