Heft 
(2015) 100
Seite
138
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138 Fontane Blätter 100 Vermischtes ­irgendwas los ist, so haben wir, wenn der Kreis geschlossen wird, zwar kein Parkett von Königen, aber doch einen Zirkus von Prinzen. Und da hin­ein ist nun unser guter Stechlin gestellt. Natürlich tut er, was er kann, und macht so gewisse Luxusse mit[] Das ist aber auf die Dauer schwierig.[] Stechlin ist ein reizender Kerl, aber er ist doch bloß ein Mensch.« 19 Das hätte so auch in Bothos»Club« gesprochen worden und auf Rien­äcker gemünzt gewesen sein können. Sogar mit noch mehr Grund, denn das Regiment Garde du Corps galt als das mit Abstand ›pikfeinste‹ Regi­ment von allen und bekam 1887, ein Jahr vor der Beendigung von Irrungen, Wirrungen, Prinz Friedrich Leopold, den Sohn Prinz Friedrich Karls, als Kommandeur der 3. Eskadron zugeteilt. Schon ein Jahr später stellte man ihn an die Spitze des Regiments und reichte ihn schließlich bis in die Hee­resleitung durch. Von jeher war die Gewährleistung von Schutz und Ruhm des Herr­schers und seiner Umgebung die eigentliche Funktion der Garde. In ihr zu dienen, blieb in der Regel Söhnen aus bestem Hause und mit guten Verbin­dungen nach oben vorbehalten. Nicht immer wurde da nach der Eignung gefragt. Doch wem dies Privileg zuteil wurde, der stand im Lichte der Öf­fentlichkeit und sah sich hohen Erwartungen gegenüber. Genügte er ih­nen, so bestanden beste Aussichten auf Beförderung und gesellschaftli­chen Aufstieg. Verfehlte er sie aber, verstieß er gar dagegen, so zog das unweigerlich ernste Konsequenzen nach sich. Fontane spricht das in Irrungen, Wirrungen zwar nur indirekt, doch deutlich an. Vor die Wahl zwischen der unstandesgemäßen Lene Nimptsch und der Baronesse von Sellenthin gestellt, muss Botho von Rienäcker nicht nur seine Geldsorgen und die dringenden Wünsche von Mutter und Onkel bedenken, sondern auch die Ehrenregeln seines Regiments. Dieses zentrale­Motiv führt Fontane in der Mitte des Romans, im 14. Kapitel ein. Vom Aus­flug nach Hankels Ablage zurückgekehrt, wühlt Botho der ultimative Brief seiner Mutter so sehr auf, dass er sich zum Ausritt entschließt, um mit sich ins Reine zu kommen. Scheinbar unabsichtlich(doch vom Erzähler genau kalkuliert) führt ihn der Ritt zum Hinckeldey-Kreuz am Rande der Jung­fernheide. Dort war der einstige Berliner Polizeipräsident 1856 in ­einem Duell zu Tode gekommen. Junge Standesgenossen hatten ihn dazu ge­drängt, als der Ordnungshüter ihren Ausschweifungen und ihrer Spiel­sucht»ehrenrührig« entgegen getreten war. Fontane nutzt nun das Mahnmal, um Botho zu schonungsloser Selbstbeurteilung und zur Besin­nung auf die für ihn bestimmenden Verhaltensnormen zu veranlassen. Als »lehrreich« lässt der Autor Botho den Hinckeldey-Skandal nachempfinden: »[] was habe ich speziell daraus zu lernen? Was predigt dies Denkmal mir? Jedenfalls das Eine, dass das Herkommen unser Thun bestimmt. Wer ihm gehorcht, kann zugrunde gehn. Aber er geht besser zu Grunde als der, der ihm widerspricht.« 20