Heft 
(2015) 100
Seite
139
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Bothos Dienstverhältnis  Kleine 139 Ist es nicht Bothos illusionäre»Gefühlsverirrung« gewesen, die ihn die Augen vor der Einsicht in das Notwendige verschließen lässt und zur Ver­wirrung der Verhältnisse führt, bevor es Fontane zu einer»vernünftigen« Lösung des Dilemmas kommen lässt, mit der alle zwar nicht sonderlich glücklich, doch gesellschaftlich akzeptiert leben können? Zu einem Kom­promiss, jenem stets unvollkommenen, nie ganz zufrieden stellenden Brü­ckenbauer, der aber wenigstens tragische Zuspitzungen eines Konflikts, gar ein endloses Unglück vermeiden hilft und deshalb dem Zerhauen des Knotens vorzuziehen ist? Gab das nicht dem Werk seinen Titel und seinen tieferen Sinn? Dies bringt uns noch einmal auf die Geschichte Friedrich zu Eulen­burgs zurück: Der Garde du Corps-Leutnant hatte sich mit dem in der Ber­liner Oberschicht als»exotisch« geltenden Fräulein Clara v. Schaeffer-Voit verlobt und zeigte dies seinem Kommandeur Graf von Alten, vorschrifts­mäßig an. Der entgegnete ihm:»Lieber Eulenburg, solche Dame liebt man, aber heirathet man nicht.« 21 Auf diese Antwort hin forderte Friedrich den Oberst zum Duell. Alten ging jedoch darauf nicht ein, sondern brachte das Ansinnen des Untergebenen als»grobe Insubordination« auf den Dienst­weg. Man verurteilte Friedrich zu zwei Jahren Festung, die abzusitzen ihm Kaiser Wilhelm sechs Wochen später erließ. Formell kehrte zu Eulenburg ins Garderegiment zurück, verblieb auch noch einige Jahre in dessen Stammrolle, konnte aber natürlich unter v. Alten nicht weiterdienen. Ver­mittelt durch seinen Vater, der sich mit der Bitte um Schlichtung an den Chef des Militärkabinetts, General Albedyll wandte pikanterweise v. ­Altens Schwager, versetzte man den jungen ›Heißsporn‹ zu den Husaren ins Rheinland und machte ihm die Deklassierung sogar noch durch ein ­Kommando zu König Umberto nach Rom schmackhaft. Mit dieser Lösung fand sich Friedrich ab, schlug in Frankfurt am Main Wurzeln, ehelichte seine»Dona Clara« und hatte vier Kinder mit ihr, ehe sie sich 20 Jahre spä­ter von ihm trennte und dem verwitweten, um 30 Jahre älteren General von Wartensleben zu spätem Liebesglück verhalf. Fontane schrieb im Januar 1882 ins Tagebuch: »Der alte Graf[zu Eulenburg] pries den glücklichen Verlauf der Sache, und als ich einstimmte und hinzusetzte: ›gleichviel ob Alten Ihren Herrn Sohn oder Ihr Herr Sohn den Grafen Alten erschoß, es wär immer eine furchtbare Geschichte geworden‹ bemerkte der alte Graf Eulenburg: ›Und fiel mein Sohn, so hätt es damit noch kein Ende gehabt; ich hätte die Sache persönlich fortgesetzt.« 22 Fontane entscheidet sich in Irrungen, Wirrungen dann für die ihm sym­pathischere Beibiegevariante: Der Gardekürassieroffizier, heißt es lapidar im schon zitierten Brief an Engel, löst sein»Verhältniss« zu der»Confectio­neuse«,»[] weil er muss. Alles in Ruh und Frieden, in Freundschaft, in Liebe.­Leider auch in Liebe[!], was dahin führt, dass beide trotzdem sie