140 Fontane Blätter 100 Vermischtes sich anderweit gut[…] verheirathen, doch einen Knax für’s Leben weg haben.« Die geltende Ordnung der Dinge bleibt gewahrt. Es ist ein konservativer Schluss, den Fontane seiner Geschichte gibt. Doch die Trauer, die leichte Wehmut, die seine Gestaltungskunst damit auslöst und die Frage nach einer liberaleren, mutigeren, natürlicheren Lösung des Konflikts(wie etwa in L’Adultera) verdrängt, hat nicht gerade sie Irrungen, Wirrungen zur – neben Effi Briest – schönsten Erzählung Theodor Fontanes werden lassen? Apropos Effi Briest: Fontanes berühmter Roman verrät uns, wie lange und wie tief seinen Autor das Problem der Gebundenheit an herkömmliche Standesrituale beschäftigte, das er in Cécile und in Irrungen, Wirrungen erstmals anklingen ließ. Von dem Duell zwischen Armand Léon v. Ardenne und Emil Hartwich, das ihn später zur Gestaltung des Kernkonflikts in Effi Briest anregte, erfuhr er im Hause Lessing, wenige Jahre nachdem ihm die eben geschilderte Ehrenaffäre Friedrich zu Eulenburgs mit Karl v. Alten erzählt worden war. Danach kam ihm gewiss auch zu Ohren, dass v. Ardennes Untat mit tödlichem Ausgang nach dem gleichen Schema»geahndet« wurde, wie die v. Rochows 1856 und Friedrich zu Eulenburgs Forderung seines Regimentskommandeurs Mitte der 70er Jahre: Man verurteilte den Delinquenten formell, doch kaum hatte er die Festungshaft angetreten, erließ ihn der König und Kaiser den Rest und belohnte ihn mit der Fortsetzung seiner Karriere: Ardenne, fähig, hoch intelligent, verblieb im Generalstabsdienst und brachte es bis zum General. Als sein Chef, Kriegsminister Paul Bronsart v. Schellendorff, von der Sache erfahren hatte, soll er gesagt haben:»Wäre er nicht schon mein Adjutant, jetzt würde ich ihn dazu ernennen.« 23 Um den Geist und den militärischen Alltag, dem sich Fontanes Romanheld Botho von Rienäcker verpflichtet sah, noch etwas zu verdeutlichen, soll der Dienst in einem so herausgehobenen Truppenteil wie der Leibgarde noch etwas genauer dargestellt werden. Alle preußischen Garde-Regimenter waren Eliteformationen und in Friedenszeiten hauptsächlich für die Demonstration der kaiserlichen Macht in großen Manövern und Paraden bestimmt. Zugleich dienten sie als Muster für alle anderen Truppenteile ihrer Waffengattung. Mit ihnen wurden Neuerungen aller Art erprobt, bevor man sie im Heer einführte. Den Gardeoffizieren, zumal den Leibgardisten, wurde unbedingte Ergebenheit, Schliff, Schneid und gesellschaftliche Gewandtheit abverlangt. Sie hatten dem Kaiser, den Angehörigen der kaiserlichen Familie, hohen Staatsgästen bei allen festlichen Anlässen das Ehrengeleit zu geben, für Dienste auf Empfängen bei Hofe bereit zu stehen, vereinzelt auch internationale Missionen zu begleiten. Damit sie all diesen Anforderungen gerecht werden konnten, unterzog man die Gardeoffiziere einer besonders intensiven Ausbildung und regelmäßigen Musterung.
Heft
(2015) 100
Seite
140
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