Heft 
(2018) 105
Seite
19
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Ein Szenar zu Grete Minde 19 die nach Art einer Exposition weitere markante Züge Gretes herausarbei­tet, nicht vor. Indem Fontane diese Handlungsbausteine hinzufügt, arbeitet er, so wäre eine These, die vielschichtige Fremdheit Gretes stärker heraus. Markante Änderungen zeigen sich auch am Schluss des Textes: »Situation« 13 etwa, die aus Aufzeichnungen im Notizbuch schöpft, 7 entfällt in der gedruckten Ausgabe, stattdessen folgt dort Kapitel 19, in dem Grete vor den Rat der Stadt Tangermünde tritt. Indem Fontane die»Situation« 13 verwirft, erspart er Grete einen weiteren Abstieg in die ›Niederungen‹ der Gesellschaft, etwa das ›Betteln‹, den Umgang mit»Spießgesellen«, die»Zu­dringlichkeiten«. 8 Darüber hinaus ändert er die Motivation von Gretes grausamem Han­deln am Ende des Textes in entscheidenden Details. Denn in der Szenar­Skizze»wartet« Grete auf einen»Sturmtag«, ihr Handeln erweist sich also als vorausschauend, strategisch. Dass sie in der veröffentlichten Fassung lediglich bis zum Abend wartet, gibt ihrem Handeln hingegen einen deut­lich affektiveren, spontaneren Charakter. Fontane hat, das wäre eine weite­re These, die Radikalität, mit der das Ende selbst der gedruckten Fassung von Grete Minde bis heute verstört, im Zuge der Textgenese sogar noch abgemildert. Diese exemplarischen, erheblich zu erweiternden und zu präzisierenden Beobachtungen zeigen, dass es sich bei dem vorliegenden Szenar um eine Konzeptskizze handelt, in der anders als in den Notizbuchaufzeichnun­gen zwar der übergreifende Handlungsbogen bereits steht, die jedoch hinsichtlich der Handlungsbausteine und deren Fügung, zudem in Hin­blick auf die Ausgestaltung der Charaktere und deren Handlungsmotiva­tion, schließlich auch in Bezug auf die(soziale und psychologische) Radika­lität von Gretes Handeln eine Phase in der narrativen Komposition markiert, die noch erhebliche Bewegungen erfahren wird. Dass Fontane in dem Szenar selbst Einfügungen und Ergänzungen vornimmt oder Alterna­tiven skizziert(vgl. die mit»Oder vielleicht besser so« beginnende Passage auf V I, 6, Bl. 6v oder den mit»Hier oder vorher« eröffnenden, dann am Rand fortgesetzten Einschub oben auf L 14), ist handschriftlicher Ausdruck einer solchen ›Konzeption in Bewegung‹. Wie dieses Szenar und der auf ihm dokumentierte Stand der Konzep­tion, im Allgemeinen wie im Detail, in den Prozess der Entstehung von ­ Grete Minde einzuordnen sind, sollte in einer textgenetischen, systema­tisch vergleichenden Analyse geklärt werden, die auch weitere bekannte Disposi­tionsentwürfe einzubeziehen hätte, etwa jene, die auf Rückseiten des Ma­nuskripts von LAdultera überliefert sind. 9