32 Fontane Blätter 105 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes signalisiert hatte, auf seine Wünsche,»Uebergehung aller der Zeitungen, die sich in feindlicher Stellung gegen mich gefallen, Kreuz-Ztng., Post und Börsen-Courier an der Spitze«, einzugehen.»Was habe ich oder was hat Hertz davon, wenn mir in der Post, dem feindseligsten und großmäuligsten dieser Blätter, versichert wird: ich wandle auf – Abwegen.« 6 Die Post hatte schon früher Romane Fontanes besprochen und war damit sehr glimpflich verfahren. Am 14. November 1878 wurde Vor dem Sturm angezeigt, ein Buch, das der anonyme Rezensent trotz gewisser Breiten»so wie es ist, lieb gewinnt« und dessen nationalpädagogischen Wert er besonders herausstreicht, da es als»eine wahrhaft deutsche und reine Muse Unterhaltung und Lehre, Humor und Ernst in glücklichster Weise geeint« habe. 7 Auch die ungezeichnete Rezension von Ellernklipp in der Post am 9. Dezember 1881 ist eine»kleine freundliche Kritik(en)«, wie Fontane erfreut in seinem Tagebuch notiert. 8 Hilde Rochussen, so Die Post, sei»eine der glücklichsten und reinsten Schöpfungen neuerer Dichtungen«. Und das Blatt hält auch hier mit einer dezidiert nationalkonservativen Position nicht hinter dem Berg, wenn es doziert:»Je mehr[…] krasse Sensationssucht, der Kultus grober Sinnlichkeit und das Parfüm französischer Verderbtheit in Deutschland um sich greift, um so erfreulicher ist es, wenn ein wirklich deutsch-denkender und deutsch-fühlender Schriftsteller wieder einmal zeigt, wie man keineswegs prüde einem heiklen Stoffe auszuweichen braucht und doch durch und durch keusch sein kann.« 9 Vor diesem Hintergrund begreift man leicht, warum Die Post über einen der ersten gesellschaftskritischen Frauenromane Fontanes ganz anders urteilte als über die beiden historischen Erzählwerke. Die Zeitung brachte am 14. Juni 1887 eine ausgesprochen maliziöse Besprechung des Romans Cécile, 10 in der der Rezensent gleichermaßen ästhetische wie(vor allem in Bezug auf die Titelheldin) moralische Bedenken äußert und seinem Tadel mit viel Ironie eine besondere Schärfe verleiht. Wenn hier auch nicht explizit vom oben erwähnten»Parfüm französischer Verderbtheit« die Rede ist, so wird doch Fontane als ein Autor bezeichnet, der wie kein Zweiter»das flüchtige Parfüm von Berlin W. und SW. so sicher festzuhalten weiß«. 11 Ohne Zweifel Duftstoffe von ähnlich betörender Wirkung wie jene, die aus Frankreich herüberwehen, und die Anstand, Moral und öffentliche Ordnung vergiften. Fontane bezeichnet noch vier Wochen später in einem Brief an seine Frau vom 16. Juli 1887 diese Kritik verärgert als üble Mischung von»Rüpeleien und Ueberheblichkeiten«:»Tadle man mich doch, aber zum Hämisch- und Gehässigsein gebe ich Niemandem Veranlassung, weder durch meine Person noch durch meine Produktion.« 12 Begreiflicherweise war der gekränkte Dichter auf Die Post sehr schlecht zu sprechen. Aber was hatte der(im Gegensatz zur konservativen Post) liberale Berliner Börsen-Courier verbrochen? Nach derzeitigem Forschungsstand ist keine Rezension eines Fontane-Werkes in dieser Zeitung nachge-
Heft
(2018) 105
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