Heft 
(2018) 105
Seite
34
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34 Fontane Blätter 105 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Fontane und die Vossische Zeitung zeigten sich jedoch alarmiert. Die scha­denfrohe Attacke auf eine mangelnde Sorgfalt des Dichters, auf seine nachlässige Darstellungsweise durfte nicht unbeantwortet bleiben. Es war zuerst die Redaktion der Vossischen Zeitung, die reagierte und ihren Autor entschieden verteidigte. Dabei berief sie sich auf ganz korrekte grammati­kalische Zusammenhänge bzw. Tempus-Relationen. Nebenbei wird auch dem scheinbar schlafenden Homer eine Ehrenrettung zuteil: »Vom guten Vater Homer weiß man längst, daß nicht er geschlafen hat, sondern daß die Re d a k t e u r e öfter geschlafen haben, die uns die homeri­schen Werke zusammenstellten. Und wie es dem guten Vater Homer ge­gangen ist, so geht es auch dem Dichter Fontane mit seinen Interpreten im ›Berl. Börs.-Cour. und in der ›Post‹. Vielleicht erwachen sie aus ihrem Schlummer, wenn wir zu den von ihnen markirten Worten noch ein ande­res markiren: ›Und sie schmiegte sich an ihn und b l ic k t e, w ä h r e n d sie die Augen s c h l, mit einem Ausdruck höchsten Glückes zu ihm a u f. Wenn die Interpreten des Dichters Fontane hiernach erwacht sein sollten, so zweifeln wir nicht, daß ihnen der Unterschied des Imperfektum, d. h. der u nvo l l e n d e t e n Handlung des Augenschließens, vom Perfektum, d. h. der vo l l e n d e t e n Handlung des Augenschließens, geläufig sein wird.« 16 Diese prägnante, vielleicht ein wenig spitzfindig anmutende Apologie genügte Fontane nicht. In der Abendausgabe der Zeitung meldete er sich selbst zu Wort und trat, sich im weitesten Sinne auf dichterische Freiheit und auf einen mitfühlend-mitdenkenden Leser berufend, selbstbewußt seinen Kritikern entgegen: »Herr T h e o d o r Fo n t a n e ersucht uns um Aufnahme folgender Zeilen: ›Ihre Güte hat mich hinsichtlich des ‚Anblickens mit geschlossenem Auge scharf und wohlwollend vertheidigt und das Wort ‚während betonend, meine Ausdrucksweise gerechtfertigt. Ich will aber ganz auf grammatika­lische Feinheiten verzichten, acceptire vielmehr Standpunkt und Auffas­sung meiner Gegner und erkläre rund heraus, daß man einen zärtlich ge­liebten Menschen mit geschlossenem Auge nicht nur anblicken kann, sondern daß das geschlossene Auge den Ausdruck oder was dasselbe sa­gen will den Blick der Zärtlichkeit steigert. D a s anzudeuten war mein Zweck. Vielleicht geht es auch mit dem Erotischen so, daß man Distance haben muß, und wer noch drin steckt, was ich ‚Post und ‚Börsen-Courier gönne, sieht den Wald vor Bäumen nicht.« 17 Damit hätte der kleine polemische Schlagabtausch ein Ende finden kön­nen, doch den Berliner Börsen-Courier ließen die wohlgesetzten Verteidi­gungsworte Fontanes nicht ruhen. Er griff die Rechtfertigung von Redak­tion und Autor schon am nächsten Tag auf, zitierte und glossierte sie, bezichtigte Fontane einer neuen Stilunsicherheit und war wohl gesonnen, diese(aus seiner Sicht offenbar kurzweilige) Kontroverse fortzusetzen: