46 Fontane Blätter 105 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte dem Alten Museum in Berlin steht. Fontane kennt dies. Die Erwartung an ein beeindruckendes Naturdenkmal wird jedoch schneller als in Saarmund enttäuscht. In der Anfahrt deutet es der Wanderer bereits poetisch überhöht an, denn» in einem dem Höhenzuge vorgelegenen Sumpfstücke stand ein Storch und sah sich ernst und nachdenklich um. Es war, als such er nach einem Wahr- und Erkennungszeichen und könne nicht einig mit sich werden, ob es auch die rechte Gegend sei«. 43 In dem folgenden Dialog zwischen Moll und Fontane beim Passieren der Markgrafensteine und der bereits zu Beginn der Kutschfahrt auffallend hyperbolischen Erfassung der Armut der Gegend, insbesondere der Flora und Fauna, präsentiert sich ein über die Wanderungen hinausreichendes poetisches Muster der dialogischen Ausgestaltung von Enttäuschungen: » Aus dem Dorfe Rauen fuhren wir abermals in eine Schonung ein, zwischen deren Krüppelkiefern eine Fahrstraße sich ängstlich hin und her schlängelte, fast als ob jeder einzelne Baum zu schonen gewesen wäre. Wo so wenig ist, ist auch eine Kiefer etwas. Endlich aber passierten wir eine halb offne Stelle, die durch mehrere hier sich kreuzende Waldwege gebildet wurde. ›Das ist er‹, sagte Moll und hielt sein Fuhrwerk an. ›Wer?‹ ›Der große Stein.‹ ›Der Markgrafenstein?‹ Er nickte bloß und überließ mich meinem Staunen, das weniger an den rechten Flügel der Bewunderung als an den linken der Enttäuschung grenzte. Wirklich, ich war enttäuscht und würde, wenn es Moll vorgezogen hätte, schlechtweg daran vorüberzufahren, im günstigsten Falle gedacht haben: ›Ei, ein großer Stein.‹ Und das sollte nun einer der berühmten Markgrafensteine sein, eines der sieben märkischen Weltwunder! Ich hatte mir diese Steine halb memnonssäulenartig oder doch wenigstens als ein paar von der Natur gebildete Riesenobelisken gedacht und sah nun etwas Zusammengekauertes daliegen, das genau den Eindruck eines toten Elefanten auf mich machte. Nun sind Elefanten ja unzweifelhaft große Tiere, wenn ihnen aber obliegt, als Berg- und Felstrümmer landschaftlich zu funktionieren, so kommt die Landschaft und kommen sie selber zu kurz«. 44 Was das Gespräch andeutet, bestätigt der Blick. Die Besichtigung führt zu Enttäuschung anstatt zur erwarteten Bewunderung. Nicht nur, dass eines der» sieben märkischen Weltwunder« 45 visuell enttäuschend, weil unscheinbar ist, es tritt dem Wanderer zudem trivialisiert entgegen, denn wie Moll zu berichten weiß, dient der Stein als Scheibenständer und Kugelfang dem Rauener Freischießen, was Moll mit einer ebenso humoristischen wie gleichnishaften Antwort zu erklären weiß:
Heft  
(2018) 105
Seite
46
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