Heft 
(2018) 105
Seite
48
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48 Fontane Blätter 105 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte erst dort, wo sich Spuren auffinden lassen, die einen Weg in die Geschich­te eröffnen. 52 Diese findet er vor Ort jedoch nicht und langsam stellt sich stattdessen Enttäuschung ein. Wieder wird die Suche und Erfahrung eines historischen Erinnerns ambivalent. Am Ufer ist für Fontane nur wenig zu beschreiben, der Ort Saarow erscheint ihm wenig lohnenswert, sodass er in Pieskow dann nichts mehr erhofft, wie er den Leserinnen und Lesern mitteilt: » Es war also mit nur geringen Erwartungen, daß ich die Kirche betrat. Aber freilich auch dies Wenige sollte kaum erfüllt werden. An der einen Wand hingen ein paar Totenkronen und Immortellenkränze, während über dem Altar ein Abendmahlsbild paradierte, darauf Judas um kein Haar breit schlimmer aussah als die zwölf andern, Christus mit eingerech­net. Ich übersah rasch, daß hier wenig zu machen sei, wollt aber das meine getan haben und sagte: ›Sie wissen doch, daß es früher eine Löschebrand­sche Kirche war und daß viele Löschebrands hier begraben wurden?« 53 Mit detektivischem Eifer betreibt Fontane seine spezifische historische Spurensuche und befragt den ihn begleitenden Dorfschullehrer. Hierin of­fenbart sich ein vielfach wiederholtes Muster seines Vorgehens vor Ort: Lehrer, Pastoren und die lokal abgefassten und verwalteten Dorfchroniken und vor allem Kirchenbücher sind als» vollkommner Mikrokosmus« 54 über Leben, Glück und Unglück der Menschen in der Mark Brandenburg Fontanes­primäre und auch beliebteste Quelle zur Wissensgenerierung und-speicherung während seiner Wanderungen. 55 Als der Dorflehrer je­doch seiner angedachten Rolle als Informationsquelle nicht gerecht zu werden scheint und lediglich vom Hörensagen zu berichten weiß, fällt ihm Fontane entrüstet ins Wort. Diese literarisch ausgestaltete Entrüstung wiederholt die bereits aus Saarmund und Rauen bekannten Muster. Aber in ihrer engen Bezugnahme zu historischen Daten speist sie sich ebenso aus Erfahrungen aus den Reisefeuilletons des bereits 1863 erschienenen älteren Bandes Das Oderland, der Fontanes historischster Band mit etli­chen Querverweisen zur Einbindung Brandenburgs in die frühneuzeitli­che Geschichte Europas war. Seine Leserinnen und Leser wissen das, und Fontane führt weitere, nicht voraussetzungslose Verweise als Impulse an: » Und da wundert es mich, hier nichts als kahle Wände zu finden. Einer aus der Familie war mit Feldmarschall Illo verschwägert, ein andrer fiel bei Fehrbellin, und ein dritter soll sich gegen die Türken ausgezeichnet und dem Köprülü die große Prophetenfahne mit eigner Hand entrissen haben. Ich nenne nur diese drei. Nach meinen Erfahrungen nun auf diesem Gebie­te geht man in unsren märkischen Familien über solche Dinge nicht gleich­gültig fort, und wenn auch selbstverständlich die großen Geschichts­bücher nicht Zeit und Platz haben, ein Aufhebens davon zu machen, so tun es doch die Kirchen und Krypten überall da, wo solche Schwertmagen und Kriegsgurgeln zu Hause waren. Und da gibt es denn immer allerlei Fahnen­