Rogerowski oder Rasumofsky? Arand 69 zurückgekehrt, allerdings ist den preußischen Dienststellen offensichtlich Rogerowskis Schicksal zuvor monatelang unbekannt geblieben. Ob Max Rogerowski Fontane später wiedergesehen hat, ist nicht bekannt; er hat bis auf die zitierten Stellen keine weiteren Spuren in Fontanes Briefen oder Tagebucheinträgen hinterlassen. Immerhin aber will das literarische Ich aus Fontanes Kriegsgefangen Rasumofsky/Rogerowski versprochen haben, dass dieser ihn besuchen dürfe:»Sie werden mich in Berlin besuchen. Tag oder Nacht, alles ganz egal. Sie sollen Kaffee haben.« 23 Doch warum erfindet Fontane einen Namen für seinen als Person belegbaren Burschen? Wie Alexandra Dunkel überzeugend nachweist, ist Rasumofsky eine Figur, in der der Preuße Fontane polnische Nationalstereotype variiert. In Rasumofsky komprimiert Fontane Vorstellungen von einer angeblichen ›polnischen Wirtschaft‹, 24 wie sie ja noch heute in nationalistischer Selbstüberhebung vielen Deutschen für Polen sprichwörtlich zu sein scheint. Rasumofsky ist findig, hält sich nicht besonders an Regeln und legt auch wenig Wert auf Korrektheit in allen Belangen. In seiner schlitzohrigen Gewandtheit und Lässigkeit, seiner gespielten Naivität, seinem Regellosigkeit geradezu notwendig machenden Organisationstalent und in seiner spöttischen, gleichzeitig subversiven Unterwürfigkeit ist er der klischeehafte Prototyp des slawischen Troupiers, wie er in der europäischen Kriegsliteratur in den Figuren des ›Schweijk‹ aus den Abenteuern des braven Soldaten Schweijk von Jaroslaw Hašek oder des ›Katczinsky‹ aus Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque immer wieder zu sehen ist. Der ›Schwarze Husar‹ heißt bei Fontane ›Rasumofsky‹, weil er eine preußisch-polnische Literaturphantasie des Autors ist, die mit dem echten Menschen Max Rogerowski vermutlich nicht mehr allzu viel zu tun hat. 25 Schumanns Vermutung, dass es sich bei ›Rasumofsky‹ um ein»schützendes Pseudonym« 26 handeln könnte, ist so letztlich zuzustimmen. Fontane zeigt hier eine Sensibilität für einen ›echten‹ Menschen, den er durch ein Buch nicht beschädigt wissen möchte, obgleich ihm wohl bewusst gewesen sein dürfte, dass er ihn literarisch ›ausgebeutet‹ hat. Das»Hauptpaar«: 27 ›Graf A. und ein Frankfurter Dragoner‹ Die beiden Gefangenen, die Fontane als ›Hauptpaar‹ einführt, stehen in der von Fontane vorgestellten Hierarchie vor den anderen Gästen, sowohl was den familiären Hintergrund als auch die Waffengattung betrifft. Beide sind Kavalleristen, die in der internen Rangfolge jeder Armee der Zeit an erster Stelle stehen. Beide sind sogenannte ›Einjährig-Freiwillige‹. ›A.‹ ist dazu noch von Adel. ›Einjährig-Freiwillige‹ werden Wehrpflichtige mit höherem Schulabschluss aus wohlhabenden Kreisen genannt, die nur ein
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(2018) 105
Seite
69
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