Rogerowski oder Rasumofsky? Arand 73 Kolumnen kommentiert, Anlass zu bitterer Klage über den ›preußischen Militarismus‹:»Wo immer die deutschen fliegenden Kolonnen in das Herz Frankreichs einmarschieren, ist ihr Weg allzuoft mit Feuer und Blut gezeichnet.« 51 Eine Überprüfung der Quellen zeigt jedoch, dass sowohl die Zahl der deutschen Opfer in der Presse und bei Fontane übertrieben dargestellt worden ist, als auch die deutsche Rache 1870 noch keineswegs dem Vorgehen der späteren Wehrmacht bei der Partisanenbekämpfung im Zweiten Weltkrieg ähnelte. Ausweislich der preußisch-norddeutschen Verlustliste Nr. 103 kommen bei dem Überfall von Ablis vier Husaren zu Tode, drei werden schwer verletzt. 52 Ein ›Sergeant Polzin‹ ist in den Verlustlisten nicht nachweisbar, allerdings nennt die Verlustliste für diesen Überfall ausnahmsweise keine der offensichtlich zahlreichen Vermissten bzw. Gefangenen. Laut bayerischer Verlustliste Nr. XXVI vom 21. Oktober 1870 werden bei Ablis lediglich vier Soldaten aus Bayern verwundet; die Vermissten werden nicht genannt. 53 Eine Geschichte des 11. Bayerischen Infanterie-Regiments schildert den Überfall, präzisiert die Verluste und die tatsächliche Rache:»Am 7. Oktober Abends wurde die 2. Compagnie mit einer Husaren-Escadron nach Ablis detachiert, jedoch in derselben Nacht von Franctireurs überfallen. Verwundet wurden hierbei 4 Mann, vermisst 11 Mann.[...] In Ablis wurden nun 5000 Franken Contribution erhoben und der Ort, weil seine Einwohner den Überfall begünstigt hatten, niedergebrannt.« 54 Eine weitere Regimentsgeschichte berichtet noch weiter von der Rache:»[...] ein eingebrachter Franctireur wurde erschossen. Nachmittags trat das Bataillon unter Mitnahme zahlreicher Geiseln den Rückmarsch[...] an. Der Verlust in dem unglücklichen Gefecht traf hauptsächlich die Husaren[...].« 55 Zwei der bayerischen Verwundeten erlagen später ihren Verletzungen. 56 Anders als Polzin kann Vollnhals allerdings gesichert identifiziert werden. Eine handschriftliche Regimentsgeschichte berichtet im Zusammenhang mit dem Überfall von Ablis von elf bayerischen Gefangenen:»In Gefangenschaft gerathen. Korporal Volnhals, Konrad von Herrieden, Feuchtwangen.« 57 Vollnhals/Volnhals ist also Franke und damit keineswegs ein ›typischer Bayer‹ als den Fontane ihn dem Leser mit seinen Charakterzügen vorstellt. Herrieden wurde erst 1806 bayrisch, nachdem es zuvor einige Jahre preußisch war. Weiter heißt es auch über Volnhals in der Regimentsgeschichte:»Sämtliche kehrten nach dem Friedensschluße zurück.« 58 Polzins Bericht ist zwar ebenfalls literarisch überformt, gibt aber dennoch überprüfbare Hinweise auf das Geschehen. Polzin nennt als Anführer der Escadron einen Rittmeister, dessen Vorgehen als Befehlshaber er deutlich kritisiert. Dieser Rittmeister ist in der Verlustliste als»EscadronChef Ulrich aus Coblenz« 59 zu identifizieren. Den dramatischen Höhepunkt des Berichts bildet die Schilderung der Hinrichtung eines Husaren, der
Heft
(2018) 105
Seite
73
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