Heft 
(2018) 105
Seite
74
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74 Fontane Blätter 105 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte sich den Franzosen bereits ergeben hat. Die überfallen Husaren stehen ­ratlos und geschlagen vor einer überlegenen Zahl an Feinden, werden aber immer noch beschossen, als sich ein Unteroffizier nach vorn wagt und die Kapitulation anbietet:»Unteroffizier Balzer, eines reichen Gutsbesitzers Sohn, unser aller Liebling, sprang, als er Mann und Pferd neben sich fallen sah, mitten in den Haufen der Draußenstehenden hinein und rief: ›Pardon! Sein gutes Gesicht, seine bittende Stimme schienen ihn retten zu sollen: der Zunächststehende setzte das Gewehr ab und sah ihn an; aber im selben Augenblick sprang ein Zuave vor und jagte ihm mit einem deutsch gespro­chenen ›stirb Hund‹ die Kugel durch den Kopf. Wir anderen kapitulierten. Alle Offiziere waren tot; wir waren noch 56 Mann.« 60 Die traurige Ge­schichte Balzers und die in der deutschen Presse lancierten Meldungen von Gefangenenerschießungen sind keine Erfindungen. Polzin berichtet zu­treffend, wie die Verlustliste bestätigt:»Unteroff.[izier] Carl Anton Balzer aus Hamburg. T.[ot] S.[chuss] i.[n] d.[en] Kopf.« 61 Fontane lässt Polzin auch noch von der Bestrafung des Dorfes berichten, die dieser als schon Gefan­gener im 30 km entfernten Chartres aus der Ferne durch den nächtlichen Brandschein mehr ahnt als sieht. Der Bericht, den Vollnhals/Volnhals von ihrem gemeinsamen Kampf gibt, ist allerdings deutlich dramatischer als es die Quellen hergeben. Er berichtet, dass 60 Bayern einen erbitterten Kampf unter Führung eines ›Oberleutnants Schneider‹ kämpften, am Ende aber alle Offiziere tot und schließlich nur noch elf Mann übrig gewesen seien. Zwar passt die Zahl der elf Gefangenen zu den Darstellungen der Regimentsgeschichten, nicht aber die Zahl der Getöteten und Verwundeten, die nach Vollnhals bzw. Fontanes Darstellung bei 49 Mann liegen müsste. ›Oberleutnant Schneider‹­z. B. muss den Überfall von Ablis überstanden haben, er ist in den bayeri­schen Verlustlisten noch später nachweisbar. 62 Der Überfall von Ablis wird von der preußischen Führung für die Hei­matfront als Paradebeispiel für das gemeinsame norddeutsch-preußisch­bayerische Leiden und Zusammenstehen im Feld, aber in der Brutalität der Rache auch als Warnung an den Feind dargestellt. Fontane folgt auch die­sem offiziellen Narrativ und verstärkt es damit. Das zweite Paar: ›Sergeant Genzel‹ und ›ein Gefreiter vom 96. Regiment‹ Eine bedeutsame Position im Oléron-Kapitel nimmt Sergeant Genzel aus Halberstadt ein. Ihn schildert Fontane als ein Muster soldatischer Tugend, gepaart mit Bildung er zitiert Schiller und erzählt wie ein gelernter Dra­mendichter von seiner Gefangennahme und von männlich-kriegerischer Schönheit:»Ein großer, schöner Mann, breitschultrig, bärtig, der immer, um Hauptes Länge alle anderen überragend, wie ein Halbgott über den