Rogerowski oder Rasumofsky? Arand 75 Kasernenhof hinschritt.« 63 Doch auch preußisch-soldatische Nüchternheit, Kühnheit und Bescheidenheit zeichnen Genzel bei Fontane aus:»Das bloße Totschlagen imponierte ihm gar nicht, im Gegenteil, alles Massaker verletzte nur sein ästhetisches Gefühl. Er hatte einen Einzelkampf mit einem Turko gehabt, der[...] sich[...] mit außerordentlicher Bravour verteidigte. Endlich packte ihn Genzel und spaltete ihm den Nacken. Aber in seinem Vortrag ging er rasch darüber hin. Er liebte es nicht, auch noch seine Erzählungen rot zu färben.« 64 Dass dieser Ausbund an Preußentum schließlich wegen eines Bravourstücks in Gefangenschaft gerät, kann nicht überraschen. Fontane berichtet, wie Genzel einem jungen Offizier, der sein Pferd verloren hat, mit seinem Tier aushilft, dabei die Rettung des Leutnants ermöglicht und unter Beschuss schließlich entkräftet zusammenbricht und in Gefangenschaft gerät. Als man ihn nach Orléans verschleppt und mit Hinrichtung droht, gelingt es Genzel mit entschlossener Widerrede, die Feinde derart zu beeindrucken, dass sie von ihm ablassen. 65 Man könnte vermuten, dass Fontane hier eine rein literarische, stark überhöhte Figur ersonnen hat, die programmatisch für Fontanes Preußenbild stehen soll. Nicht ohne Berechtigung hat Osborne vermutet, dass im Heldentypus Genzels das Vorbild für den ›Oberförster Katzler‹ und den ›Schulzen Kluckhuhn‹ aus dem Stechlin zu sehen sein könnte. 66 Ob Genzel tatsächlich fließend Schiller zitieren und wie ein Schriftsteller reden konnte, wird trotz eines dezenten Hinweises eher unklar bleiben. Dass die Schilderung seiner militärischen Taten bei Fontane allerdings durchaus einen realen Hintergrund hat, zeigen die über Genzel besonders zahlreich vorliegenden Quellen. In Verlustliste Nr. 96 ist er als Mitglied des ›Posenschen Ulanen-Regiments Nr. 10‹ aufgeführt:»Gefecht bei Artenay und Chevilly am 26. September 1870.[...] Ser.[eant] Wilhelm Ferd.[inand] Adolph Genzel aus Halberstadt. Verm.[isst]. Wahrsch.[einlich] T.[ot] oder verwundet.« 67 Die 1883 erschienene Regimentsgeschichte des in Züllichau [heute Sulechów/Polen] stationierten Ulanen-Regiments Nr. 10 bestätigt, wenngleich ebenfalls literarisiert und eventuell durch die Schilderung bei Fontane beeinflusst, die Darstellung in Kriegsgefangen. Die Regimentsgeschichte erzählt jedoch auch noch von Genzels weiterem Schicksal: »Das Regiment war in das Feuer einer im Walde versteckt gewesenen Infanterie gerathen und erlitt dadurch ziemlich bedeutende Verluste. 68 Den Lieutnants Nagl, v. Mitzlaff I. und v. Mitzlaff II. wurden die Pferde unter dem Leibe erschossen. In dem Augenblicke, als des Letzteren Pferd todt niederstürzte, ritt neben ihm der Unteroffizier Genzel der 2. Escadron; derselbe parirte sofort im heftigsten Kugelregen sein Pferd und von demselben springend rief er dem Lieutnant zu: ›Vorwärts, Herr Lieutnant, auf mein Pferd, retten Sie sich!‹ und als v. Mitzlaff einen Augenblick zögernd drein schaute: ›schnell, schnell! besser, daß ich gefangen werde als Sie.‹ v. Mitzlaff hatte das Glück, trotz des nunmehr aus nächster Nähe auf ihn
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(2018) 105
Seite
75
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