Heft 
(2018) 105
Seite
78
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78 Fontane Blätter 105 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte »Man zog mich hervor und schleppte mich im Triumph in die Mitte des Dorfes, an meinem treuen Schindler vorbei. Er richtete sich noch einmal auf; der Todesschmerz stand ihm im Gesicht. Es hat nicht mehr lange ge­dauert: Einer von den Franktireurs gönnte ihm eine letzte Kugel. Es war auch das beste. Sattler Gemke, wie ich gehört habe, ist durchgekommen und hat seine Meldung gemacht. Ich gönns ihm; einer hat eben Glück vorm andern; die Lose fallen verschieden. Gemke lebt, Schindler ist tot, und ich sitze hier.« 81 Alle drei an dem tragischen Geschehen beteiligten Soldaten können mit der Verlustliste und der Regimentsgeschichte namhaft gemacht wer­den. Wie Fontane selbst korrekt angibt, gehört Janeke zum ›3. Garde-­Ulanen-Regiment‹, einer Eliteeinheit. Er wird mit seinen beiden Kamera­den nordwestlich von Paris in das beschriebene Scharmützel verwickelt: »Patrouillenritt bei Boisemont am 3. November 1870. 2. Escadron. Un­teroff.[izier] Albert Janeke aus Uetz, Kr.[eis] Wolmirstedt. Verm.[isst]. Ulan Robert Schindler aus Bleischwitz, Kr.[eis] Leobschütz. Verm.[isst]. Ulan Karl Heinr.[ich] Aug.[ust] Gempke aus Hennersdorf, Kr.[eis] Reichenbach. S.[chwer] v.[erletzt] S.[chuss] d.[urch] d.[en] r.[echten] Unterarm. Laz.[arett] Le Plessis Bouchard.« 82 In der Regimentsgeschichte der 3. Garde-Ulanen wird die von Fontane Janeke in den Mund gelegte Geschichte weitgehend bestätigt: »Am nächsten Morgen wurde der Unteroffizier Jahnecke mit den ­Ulanen Schindler und Gempke als Patrouille wieder nach Boisemont ge­schickt, sie stießen bei dem Ort auf feindliche Infanterie und Kavallerie. Der Ulan Schindler, dessen Pferd erschossen ward, fiel hier auf dem Feld der Ehre, der Ulan Gempke ward schwer verwundet. Dem Unteroffizier Jahnecke aber ward das traurige Schicksal zu Theil, dem Feinde unver­wundet in die Hände zu fallen, da er, unter seinem erschossenen Pferde liegend, sich weder rechtzeitig in Sicherheit zu bringen noch zur Wehr zu setzen vermochte.« 83 Der bayerische Sergeant Heglmaier vom 6. oder 9. Jägerbataillon ist in den bayerischen Verlustlisten nicht nachweisbar. Allerdings kann in den Feldrapporten des 9. Jägerbataillons ein»Pferdewärter Keglmaier Franz« 84 nachgewiesen werden, der eventuell Fontanes ›Heglmaier‹ war. Seine Funktion im Text ist stärker noch als bei den Paaren Arco–Kerber und ­Polzin–Vollnhals/Volnhals die Symbolisierung des über die Waffenbrü­derschaft geschaffenen neuen deutschen Einheitsgefühls. In den Personen Janeke und Heglmaier/Keglmaier zeigt Fontane aber in fast schon karikie­render Überzeichnung auch die kulturellen und mentalen Unterschiede zwischen Nord- und Süddeutschen. Während der Preuße Janeke bei ­Fontane seine Kriegsabenteuer berichten kann, schildert er Heglmaier/ Keglmaier geradezu als Abziehbild eines rotblonden, gemütlichen Ober­bayern, der sich vor allem für das Spielen der typisch süddeutschen Zither