Heft 
(2018) 105
Seite
94
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94 Fontane Blätter 105 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte beichtend beschreibt er seine kreative Haltung als» das Schicksal als etwas einem für jeden Kleinkram zu Diensten stehendes Etwas anzusehen«. 35 Um Fontanes unbekannte und nachweisbare Funde zu ermitteln, muss man prüfen, was die Gegenwart ihm an Brauchbarem zufällig geboten hat. Dieser Aspekt von Fontanes Kreativität ist in letzter Zeit ins Gespräch gekommen, weil Fontane seine Funde auch aktiv gesucht hat. Petra ­McGillen hat seine Lesepraxis als eine Ideensuche beschrieben. 36 Fontane sagte,»Aus allem sauge ich meinen Honig«. Wüllersdorfs Beschreibung seines Stammtisches am Schluss von Kapitel 35 beschreibt auch Fontanes Treffen mit Journalisten in verschiedenen Weinlokalen. 37 Die Vorgabe für Graf Petöfy war eine Theaternachricht aus Wien, aus den Familiennach­richten der Kreuzzeitung buchstabiert Botho von Rienäcker die Fragwür­digkeit seines Eheglücks. Das alles sind konkrete Beispiele für sein Prinzip des Findens statt Erfindens. Der durchstrichene Teil dieser ältesten Entwurfseite wird viermal er­weitert und entspricht dem zweiten Abschnitt des 6. Kapitels. Jede Arbeits­phase begann mit dem 6. Kapitel. Der zusätzliche Stoff, der die Fortfüh­rung des Romans ermöglichte, ist, ähnlich dem»Betty, komm«-Ruf, als Stichwort darin halb versteckt. An Am demselben A andern b Morgen reisten sie ab; Bei Sonnenuntergang waren sie in Krotoschin in ihrer neuen Heimath, eine Kutsche wartete, um sie nach dem Landrathsamt zu führen. Alles stand auf der Rampe oder im Vorflur, um den gnädigen Herrn und die junge Frau zu begrüßen, von der man nur wusste, daß sie sehr jung, sehr hübsch und protestantisch sei. 38 Gegenüber dem Roman fehlt die Hochzeitsreise. Unterstrichen sind Kro­toschin, 39 das durch ›Kessin‹ ersetzt wird, und Landrathsamt. Ein Amt gibt keinen Stoff her; der weiterführende Fund könnte jedoch im Zusam­menhang mit einem realen Landrat stehen. 2. Der zweite Stoff: ein Landrat heiratet eine Briest-Nachkommin Im Mannesstamm war ›von Briest‹ 1822 erloschen, aber Briest-Nachkom­men kannte Fontane persönlich seit 1862 im Zusammenhang mit dem Wanderungsband Oderland. 1864 wollte er ihr altes Rittergut Nennhausen für den Wanderungsband Havelland aufsuchen. 40 Von etwa 1790 bis 1820 war Nennhausen als Musenhof der Romantik bekannt. Der Grund für Fon­tanes Interesse war die Ehe zwischen des alten Briests schriftstellernder Tochter Caroline und dem romantischen Dichter, Friedrich de la Motte Fouqué, dem Autor der weltberühmten Undine. 41