The Making of Effi Briest Anderson 95 Am 26. März 1889 wurde die Verlobung eines amtierenden Landrats mit einer Ururenkelin des historischen alten Briest auf Seite 3 der Abendausgabe der Neuen preußischen(Kreuz)Zeitung annonciert und unter der Rubrik»aus anderen Zeitungen« in mehreren anderen Blättern knapp nachgedruckt. Diese eheliche Verbindung um diese Zeit passt zu gut zu Effi Briest, um nicht als weiterführender Stoff in Erwägung gezogen zu werden. Ausschlaggebend war nota bene nicht der Bräutigam, sondern die Braut. Noch bot diese Verlobung wenig Handlung, aber sehr viel Stoff: »Die Verlobung unserer zweiten Tochter Martha mit dem Königlichen Landrath Herrn Theobald von Bethmann-Hollweg beehren wir uns hier durch anzuzeigen. Wilkendorf, den 25. März 1889. Gustav von Pfuel, HauptRitterschafts-Direktor a.D. Agnes von Pfuel, geb. Gräfin zu Dohna-Mallwitz«. »Meine Verlobung mit Fräulein Martha von Pfuel, Tochter des HauptRitterschafts-Direktors a. D. Herrn von Pfuel-Wilkendorf und seiner verstorbenen Gemahlin Isa, geb. Gräfin von Reventlow-Jersbeck, beehre ich mich hierdurch anzuzeigen. Freienwalde a. O., den 25. März 1889. Theobald von Bethmann= Hollweg, Königlicher Landrath«. Fontane hat Martha von Bethmann Hollweg(1865–1914) kaum oder gar nicht gekannt, dafür aber ihren Vater, Mitglied des preußischen Herrenhauses Gustav von Pfuel-Wilkendorf – und ihren Onkel Alexander von Pfuel-Jahnsfelde noch besser. In diesem Herrenhaus war er 1862 zwei Töchtern der Caroline von Fouqué begegnet: aus ihrer ersten Ehe, Klara von Pfuel, und aus ihrer zweiten Ehe des Dichters Fouqué Tochter Marie. Wenige Wochen später begann Fontane, sich für die Briests zu interessieren, insbesondere für den Landrat von Briest und die Sage um dessen Rolle beim Überfall auf Rathenow und der darauffolgenden Schlacht von Fehrbellin(Juni 1675). Im Gespräch zwischen Effi und Apotheker Gieshübler macht Fontane sich sogar einen ›olympischen‹ Spaß daraus: »Ich bin eine geborene Briest und stamme von dem Briest ab, der, am Tage vor der Fehrbelliner Schlacht, den Überfall von Rathenow ausführte, wovon Sie vielleicht einmal gehört haben...« »Oh, gewiß, meine Gnädigste, das ist ja meine Spezialität.« 42 Sogar die Umstände der Bethmann-Verlobung ähneln Innstettens unerwarteter Bitte um Effis Hand. Am 24.–25. März 1889 feierte Martha von Pfuels Vater Gustav seinen 60. Geburtstag mit vielen geladenen Gästen in Wilkendorf nahe Strausberg: am 3. Oktober 1878 heiraten Geert und Effi, also am 139. Geburtstag des historischen alten Briest. Im Tagebuch von Marthas Stiefmutter Agnes von Pfuel – ihre leibliche Mutter ist kurz nach der Geburt verstorben – heißt es: »Die größte Überraschung brachte aber der folgende Tag[der 25. März]. Landrath Theobald von Bethmann-Hollweg, der ein ganzes Jahr nicht hier gewesen war, die Einladung zum Geburtstag aber angenommen hatte und
Heft
(2018) 105
Seite
95
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