Heft 
(2018) 105
Seite
96
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96 Fontane Blätter 105 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte die Nacht hiergeblieben war, hielt um unsere Mette an und fand, nachdem er lange mit ihr gesprochen, Erhörung. Auf die Kinder machte die Nach­richt großen Eindruck, Freda wurde ganz blaß und fing dann bitterlich an zu weinen, wollte gar keinen Trost annehmen.« 43 Ob oder woher Fontane diese Details kannte, ist weder belegt noch ausgeschlossen. Zufällig datiert der erste Beleg für Fontanes Projekt, die Geschichte der Bredows zu schreiben, ebenfalls vom 25. März 1889. 44 Das war zwar Zufall, aber eine»Bredow-Wanderung« nahe Nennhausen würde auch dem Ro­manprojekt dienen. Trotz und wegen allen Vorwissens um die Briests hat er die Folgen der Kombination unterschätzt. Sein summarisches Tagebuch für das erste Halbjahr 1889 verschweigt das Romanprojekt und nennt das Bredow-Projekt seine»Hauptarbeit«. Diese hing von der Gastfreundlich­keit und aktiven Mitarbeit von Bredow-Familienmitgliedern ab. Die erste Einladung zu Max von Bredow in Landin, etwa 12 Km nördlich von Nennhausen ließ ihm bis zur letzten Maiwoche Zeit, andere Projekte zu Ende zu führen. 45 3. Die Bethmann Hollweg-Hochzeit in Wilkendorf Fontane hat Wilkendorf und Gielsdorf Ende September 1863 besucht und dabei die Porträts des alten Briest und dessen Tochter Caroline gesehen. 46 Die Ergebnisse dieser Begegnungen und seiner Fouqué-Studien zeigen sich im Kapitel»Kastalia« von Vor dem Sturm, wo Lewin von Vitzewitz buchstäblich auf zwei 1812 in Nennhausen verfasste Dramen Fouqués hin­weist. Die Rückkehr des Großen Kurfürsten dramatisiert den Überfall auf Ra­thenow. Vor dem Sturm gipfelt in einem ähnlichen, aber scheiternden Überfall auf Frankfurt(Oder) im Winter 1813. Angeführt wird der Über­fall von einem skurrilen alten General aus dem Havelland namens Bamme: so heißt eines der Güter, die der Landrat von Briest erworben hat. Im Mit­telpunkt des Romans steht Lewins Brautwahl, die große Ähnlichkeiten mit der Brautwahlhandlung in Fouqués Die Familie Hallersee aufweist. Diese fundamentalen Anleihen relativieren die Bedeutung des ursprünglichen Modells, die Kämpfe der Brüder F. A. L. und Alexander von der Marwitz. In Vor dem Sturm hinterließ Fontane offene und verschleierte Avis darauf, dass er den Marwitz-Stoff durch Fouqué-Stoffe relativiert hat. Poetolo­gisch gesehen ist die Relativierung des Ardenne-Stoffs durch den Beth­mann-Stoff gleichwertig; das Fehlen jeden Avis dagegen ist intentional. Anhand des folgenden Berichts auf S. 2 der Ober-Barnimer Kreiszeitung vom 20. Juni 1889 lässt sich zeigen, wie Fontane auf die Bethmann-Pfuel­Hochzeit anspielt und mit der Anspielung das Romanschreiben selbst symbolisiert: